O Tannenbaum, wie grün sind deine Gläser
Notiert in Paris
Wie grün sind deine Gläser
wü Paris
Von Gesche Wüpper
Ungläubig starrte mich die Verkäuferin auf dem sonntäglichen Wochenmarkt an. "Aber was wollen Sie denn jetzt noch mit einem Weihnachtsbaum?", wollte sie von mir wissen. Das war an einem dritten Advent vor ein paar Jahren, nur zwei, drei Tage vor Heiligabend. Ich hatte ihr gerade erklärt, dass es in meiner Heimat Brauch sei, den Weihnachtsbaum erst am 24. Dezember aufzustellen. "Und dann schmeißen Sie ihn am 26. weg?", fragte mich die Verkäuferin erstaunt.
Weihnachtsbäume haben auch in Frankreich Tradition. Allerdings werden sie von französischen Familien bereits Anfang Dezember aufgestellt und dann oft schon am 26. Dezember – in Frankreich kein Feiertag – wieder entsorgt. Adventskränze oder Tannengestecke sucht man dagegen im Advent vergeblich.
Dazu kommt ein anderer Unterschied: In der Regel kaufen französische Familien wesentlich kleinere Tannenbäume. Oft sind sie gerade mal einen Meter hoch und entsprechend schmal, da der Platz in vielen Appartements gerade in Paris relativ beengt ist.
6,4 Millionen Weihnachtsbäume wurden 2022 in Frankreich laut einer von Kantar für das staatliche Institut für Landwirtschafts- und Meereserzeugnisse France Agri Mer und Valhor, den Berufsverband der Floristen und Gartenbaubetriebe, erstellten Studie verkauft. Weit weniger als in Deutschland, wo jedes Jahr gut 27 Millionen Weihnachtsbäume verkauft werden.
Im Schnitt 30,47 Euro haben Franzosen letztes Jahr für ihren Weihnachtsbaum ausgegeben. 5,7 Millionen davon waren echt, der Rest aus Plastik. Insgesamt sorgte der Weihnachtsbaumverkauf laut der Kantar-Studie für einen Umsatz von 172,8 Mill. Euro. 80% der verkauften Weihnachtsbäume – meist Nordmanntannen wie bei uns, aber auch die bläuliche Sorte Epicéa – stammen aus Frankreich, vor allem aus den im Burgund gelegenen Départements Morvan und Nièvre. Die restlichen Weihnachtsbäume werden aus Deutschland, Belgien und Dänemark importiert.
Wiederverwendbare Weihnachtsbäume sind in Frankreich auf dem Vormarsch, auch im öffentlichen Raum. So hat sich der grüne Bürgermeister von Bordeaux, Pierre Hurmic, 2021 für eine moderne Tannenbaum-Installation aus Glas von dem Künstler Arnaud Lapierre entschieden, die seitdem jedes Jahr im Advent den Platz vor der Kathedrale und dem Rathaus schmückt.
Die Entscheidung Hurmics, keinen "toten Baum" mehr aufzustellen, sorgte seinerzeit in ganz Frankreich für einen Skandal und viel Spott. Das sei ein Angriff auf die Traditionen, kritisierten konservative Politiker. Dabei ist das gläserne Tannenbaum-Kunstwerk durchaus schön.
Günstiger ist es laut der Stadtverwaltung von Bordeaux ebenfalls. Inzwischen. Denn der gläserne Tannenbaum hat 130.000 Euro gekostet, während ein traditioneller Weihnachtsbaum pro Jahr rund 60.000 Euro gekostet hätte. Hochgerechnet auf das sechsjährige Mandat Hurmics wären das 360.000 Euro.
Das Tannenbaum-Kunstwerk rechne sich inzwischen, meint Léa André von der Stadtverwaltung Bordeaux. Auch wenn einige Bordelaiser noch immer dem traditionellen Weihnachtsbaum vor der Kathedrale nachtrauern, folgen inzwischen andere Städte wie La Rochelle dem Beispiel und stellen statt echten Tannenbäumen Installationen auf.
Die Preise der französischen Tannen seien 2023 so gut wie nicht gestiegen, erklärt der Berufsverband Valhor. Im Gegensatz zu anderen in Frankreich zu Weihnachten beliebten Spezialitäten. So hat sich Räucherlachs nach Angaben der Unternehmensberatung Circana um 13,4% verteuert, Foie Gras um 13,5%, Weihnachtsschokolade um 8,1% und Champagner um 9,1%.
Während sich die Inflation in Frankreich laut Insee im November aufs Jahr auf 3,5% abgeschwächt hat, bleibt sie für Lebensmittel mit 7,7% recht hoch. Dennoch wollen die Franzosen für das Weihnachtsessen mit 120 Euro laut einer Umfrage von Cofidis ähnlich viel wie 2022 ausgeben.