KommentarDaniel Křetínský

Opportunistischer Financial Engineer

Daniel Křetínský hat sein Vermögen unter anderem mithilfe der Rückstellungen des ostdeutschen Braunkohletagebaus gemacht. Als Miteigentümer des militärisch relevanten IT-Konzerns Atos wird ihn der französische Staat nicht akzeptieren wollen.

Opportunistischer Financial Engineer

Daniel Křetínský

Opportunistischer Financial Engineer

Von Christoph Ruhkamp

Um die Rettung des hoch verschuldeten einstigen französischen Vorzeige-IT-Konzerns Atos buhlen jetzt gleich mehrere potenzielle Geldgeber. Neben den Hausbanken, dem Finanzinvestor Bain und dem Haupteigentümer Onepoint ist auch der tschechische Milliardär Daniel Křetínský im Verbund mit dem Londoner Geierfonds Attestor im Spiel. Der französische Staat ist davon nicht gerade begeistert, da Atos unter anderem die passend zugeschnittene IT für Panzer und Kampfflugzeuge liefert. Doch die Gläubiger von Atos würden einem Investment von Křetínský allemal den Vorzug vor einer Insolvenz geben. Niemand weiß ganz genau, wie Křetínský zum Milliardär geworden ist. Aber ein bedeutender Wendepunkt war sicher die Übernahme der ostdeutschen Braunkohleaktivitäten von Vattenfall samt Tagebau und Kraftwerken für einen symbolischen Betrag. Das eröffnete ihm den Zugriff auf die Rückstellungen für die Renaturierung von 1 Mrd. Euro. Mit diesem vorübergehend ausgeliehenen Geld hat Křetínský ein Imperium aus Minderheitsbeteiligungen aufgebaut – in völlig unterschiedlichen Sektoren wie Fußball (West Ham United, Sparta Prag), Medien (Les Echos), Energie (Leag, Meag) und Handel (Metro, Fnac Darty, Casino). Zuletzt erfolgte der Einstieg bei der Stahlsparte von Thyssenkrupp. Auch für den Steinkohleverstromer Steag und für Teile der britischen Post bot er – wenngleich erfolglos.

Hansdampf in allen Gassen

Křetínský erscheint wie ein Hansdampf in allen Gassen. Er ist sicher kein Restrukturierungsexperte und auch kein Industriefachmann. Eher ein Financial Engineer, der Opportunitäten nutzt, wenn sie sich gerade eröffnen. In der Schuldenkrise vieler Unternehmen scheinen sich immer mehr dieser Gelegenheiten zu bieten, von denen Křetínský glaubt, dass sie zu ihm passen. Nach den Erfahrungen mit der ehemaligen Braunkohlesparte von Vattenfall will man ihm in Deutschland offenbar nicht auch noch die Milliardenrückstellungen für den Braunkohletagebau von RWE anvertrauen. Ebenso wenig wünscht der französische Staat, dass die Software für die Simulation von Atomtests in die Hände des Finanzingenieurs gelangt.

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