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Orkan über Wolfsburg

Die Marke VW kriselt seit Jahren, auch die aktuelle Krise beruht nicht nur auf kurzfristigen Faktoren. Ohne Schmerzen wird der Ausweg nicht gelingen.

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Orkan über Wolfsburg

Von Carsten Steevens

Die Marke VW kriselt seit Jahren. Ohne schmerzhafte Einschnitte wird sie kaum genesen.

Der Herbst hat noch nicht begonnen, doch über Wolfsburg braut sich ein Orkan mit lange nicht mehr gekannten Ausmaßen zusammen. Bei Volkswagen geht es ans Eingemachte, so wie zuletzt vor drei Jahrzehnten.

Weil die Kosten viel zu hoch und die Erlöse im Verhältnis zu niedrig sind, um sich im Wettbewerb der Volumenhersteller auf Dauer behaupten und Investitionen in die neue Mobilität aus eigener Kraft stemmen zu können, stehen jetzt gravierende Einschnitte im Raum. Das Management der Volkswagen AG als Kern des Konzerns mit der Volkswagen-Marke, mit Volkswagen Nutzfahrzeuge und der Komponente will die seit 1994 fortgeschriebene und noch bis 2029 bestehende Beschäftigungssicherung aufkündigen. Erstmals überhaupt drohen Werksschließungen in Deutschland. Der mächtige Betriebsrat bei VW sieht die Kernmarke in Frage gestellt, kündigt erbitterten Widerstand an und wirft dem Vorstand Versagen vor.

Die Maßnahmen im erst Ende 2023 vereinbarten „größten Performance-Programm“ der Marke VW, die eine Ergebnissteigerung von 10 Mrd. Euro bringen sollen, um bis 2026 zu einer operativen Rendite von 6,5% zu kommen, reichen nicht. Nicht mal ein Jahr später ist angeblich so viel Gegenwind aufgekommen, dass sich im Sparprogramm eine Lücke von mehreren Mrd. Euro auftut. Worauf lässt das schließen? Zum einen auf Einschätzungen von kurzfristigen Marktaussichten, mit denen nicht nur das Management bei VW, sondern auch die Arbeitnehmerseite erschreckend daneben gelegen hat. Zum anderen zeigt sich einmal mehr die lähmende Schwerfälligkeit eines Unternehmens, das in Anbetracht epochaler Umwälzungen in der Mobilität mehr denn je beweglich sein müsste.

Der Betriebsrat fordert einen Gegenentwurf zum Kaputtsparen, wie es Opel und Ford derzeit erleben würden. Schnellere Prozesse, weniger Komplexität, mehr Synergien über den Konzern, ein Masterplan mit Etappen für die kommenden zehn Jahre, lauten die Punkte in Kurzform. Es rächt sich nun, dass Belastungen etwa im Zusammenhang mit dem Dieselskandal oder mit Produktionsstillständen während der Coronakrise nicht Anlass genug waren, diese Defizite mit Wucht anzugehen. Zumal in Anbetracht der Unwägbarkeiten beim Wandel hin zu Elektromobilität und autonomem Fahren. Noch ist die Marke Volkswagen kein Sanierungsfall. Aber die Krise beruht nicht in erster Linie auf kurzfristigen Faktoren. Jetzt geht es in Wolfsburg nicht darum, eine oder zwei Schippen draufzulegen. Es steht ein Konflikt an, der zu schmerzhaften Maßnahmen führen wird.

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