Portfolio der Zukunft liefert emotionale Rendite
Was wäre, wenn man einfacher in Dinge investieren könnte, die einem Freude machen? Die Nachfrage wäre enorm. Das hat die gut getimte Emission eines Non-Fungible Tokens (NFT) gezeigt, der seinen Besitzern einen winzigen Bruchteil der Tantiemen für Rihannas bekanntesten Song „Bitch Better Have My Money“ verspricht. Sie war in wenigen Minuten komplett platziert. Traditionelle Vermögensverwalter wittern Chancen im Geschäft mit einer ganzen Reihe komplett neuer alternativer Investments: Kulturelle Assets, die in der Lage sind, ihren Besitzern eine „emotionale Rendite“ zu verschaffen, wie es Sandy Kaul formuliert, die bei Franklin Templeton als Senior Vice President für digitale Assets zuständig ist. „Wir stehen vor einem Moment, der das Aufkommen des Internets wie eine kleine Diskontinuität aussehen lassen wird“, sagt Kaul auf einer Presseveranstaltung des Assetmanagers über den Dächern von London. „Die kommenden Veränderungen werden die wesentlichsten sein.“
Wenige Tage bevor Rihanna im vergangenen Monat ihre Performance in der Halbzeitpause des Endspiels der US-Football-Liga mit dem Stück eröffnete, platzierte das schwedische Web3-Unternehmen Anotherblock 300 NFTs. Zum Preis von 210 Dollar pro Stück erhielten die Abnehmer mit den Tokens das Recht auf 0,0033 % der Einnahmen aus den Streaming-Rechten für das Lied, das zuvor schon mehr als eine Milliarde Mal online abgerufen wurde. Unchained Music geht davon aus, dass sich die Dividendenrendite im ersten Jahr auf 6 ,1% bis 6,9 % belaufen dürfte. Ob die R&B-Sängerin vor ihrem Auftritt vom Coup der Stockholmer NFT-Plattform wusste, ist nicht überliefert. Denn es war nicht Rihannas Anteil an den Rechten, der auf diese Weise vermarktet wurde, sondern der von Jamil „Deputy“ Pierre, der den Song 2015 zusammen mit Kanye West produzierte.
Es war nicht das erste Mal, dass Musikrechte in dieser Form unter die Leute gebracht wurden. Doch verschaffte Rihannas Superbowl-Show der Assetklasse erhebliche Aufmerksamkeit. „Als Fan hat man einen bestimmten Bezug zu einem Song“, sagt Pierre. „Wenn man die Chance hat, einen Teil eines Songs zu besitzen, ist das eine bahnbrechende Neuerung. Sie stellt eine ganz andere Art der Verbundenheit her, jenseits von Streaming oder Konzerten.“ Hätte Rihanna selbst hinter der Transaktion gestanden, wäre noch eine ganze Menge mehr möglich gewesen. Man hätte per Smart Contract Premiumplätze für eine bestimmte Zahl von Konzerten im Token unterbringen können – oder den Zugang zu besonderen Events für NFT-Besitzer. „Emotionale Auszahlungen werden ein wesentlicher Aspekt der Portfolios der Zukunft sein“, sagt Kaul.
Und die Blockchain-Technologie macht die Tokens nicht nur handelbar. Sie ermöglicht auch andere Investmentoptionen, etwa sie als Sicherheitsleistung zu hinterlegen. Der Chef von Anotherblock, Michel Traore, sieht seine Mission zwar in der „Demokratisierung“ von Musikrechten. Bislang wird das Geschäft damit von Anlageexperten mit langfristiger Orientierung dominiert. So stieg etwa Oaktree Capital Management vor zwei Jahren mit 375 Mill. Dollar bei Primary Wave ein, bei der die Rechte von Bob Marley und Whitney Houston liegen. Urheberrechte waren bislang schwer zu handhaben. Kleinanleger hatten keinen Zugang. Das wird durch die Tokenisierung anders. Aber wer kann beurteilen, ob der für einen Token geforderte Preis angemessen ist? Für den Rihanna-NFT wurden am Sekundärmarkt zuletzt 580 Dollar gezahlt – vermutlich weit mehr, als die künftigen Cashflows wert sind.
Traditionelle Assetmanager wie Franklin Resources (Franklin Templeton) sehen in der Komplexität eine Chance. Um ein Musik- oder Kunstportfolio in tokenisierter Form zu unterhalten, braucht man Expertenwissen und ein professionelles Risikomanagement. Mit der zugrundeliegenden Technologie hat das Unternehmen bereits durch einen tokenisierten Geldmarktfonds Erfahrung gesammelt. Man habe dabei eng mit der US-Wertpapieraufsicht SEC zusammengearbeitet, um zu verstehen, was man dort gerne sehen würde, sagt Jenny Johnson, die Chefin von Franklin Resources in London. Auch traditionelle alternative Assets wie Immobilien lassen sich tokenisieren und mit Extras ausstaffieren. So könnte man sich in Zukunft etwa an der Hotelkette beteiligen, in der man gerne absteige, und besondere Leistungen wie ein Zimmer-Upgrade bekommen, erklärt Johnson.
Manchen Schätzungen zufolge könnte sich das Gesamtvolumen tokenisierter Assets bis Ende 2027 bereits auf 24 Bill. Dollar belaufen. Der Zahlungsabwickler Swift beschäftigt sich schon länger damit, wie sich unterschiedliche Plattformen verknüpfen lassen, um Interoperabilität herzustellen. Das Thema Regulierung ist eine weitere große Baustelle. Doch der Appetit ist geweckt. „Wir sehen weiterhin zunehmendes Interesse von traditionellen Assetmanagern, die Blockchain-Infrastruktur für Investmentvehikel aufbauen wollen – auch in Deutschland“, sagt Tim Bruenjes, Head of Northern Europe bei der auf die Verwahrung digitaler Assets spezialisierten Fireblocks.