KommentarGrünheide

Prestige-Projekt Tesla wird zum abschreckenden Beispiel

Tesla nach Deutschland zu holen galt einst als Coup. Heute zeigt das Beispiel der Weltöffentlichkeit die Schwäche des Industriestandorts.

Prestige-Projekt Tesla wird zum abschreckenden Beispiel

Grünheide

Blamables
Prestige-Projekt

Von Sebastian Schmid

Am Ende haben 11 von 19 Gemeindevertretern den angepassten Plänen zum Werksausbau von Tesla zugestimmt – unter Polizeischutz. Die 9.200-Einwohner-Gemeinde Grünheide hatte sich bei einer Bürgerbefragung im Februar zwar klar gegen den Ausbau gestellt. Nach einigen Anpassungen gab es nun aber die Zustimmung des Gemeinderats. Alles andere wäre auch ein fatales Signal gewesen. Ehrlich gesagt, auch so ist die international ausgesandte Botschaft für den Industriestandort keine gute. Das einstige Prestige-Projekt, bei dem Tesla sich für ihre europäische Autoproduktion ausgerechnet Deutschland als Standort ausgesucht hat, ist längst zur Peinlichkeit geworden. Im Forst um das Werksgelände muss jede Zufahrt von der Polizei bewacht werden. Nicht ohne Grund: Hunderte Aktivisten hatten Anfang des Monats das Werksgelände gestürmt. Zwei Monate zuvor hatte ein Brandanschlag auf einen Strommast für Tage die Produktion unterbrochen.

Dass es den Waldbesetzern nicht primär um Umweltschutz geht, machen nicht nur Slogans wie „Tesla enteignen“ klar. Bei der geplanten Erweiterung geht es schließlich um einen Güterbahnhof und Logistikflächen. So soll ein Großteil der Lieferkette des Werks von der Straße auf die Schiene verfrachtet werden. Sowohl mit Blick auf die lokalen Emissionen als auch auf das Verkehrsaufkommen sollte das Projekt also positive Auswirkungen haben. Dennoch haben die „Umweltschützer“ schon eine Ausweitung des Widerstands und die Vorbereitung neuer Klagen angekündigt.

Tesla nach Deutschland zu holen galt einst als Coup. Heute zeigt das Beispiel der Weltöffentlichkeit die Schwäche des Industriestandorts.

Schwindender Gestaltungsspielraum

Dabei ist der Industriestandort Deutschland auch zuvor schon unattraktiver geworden. Tesla wurde ursprünglich noch mit einer Subvention von 1,1 Mrd. Euro nach Grünheide gelockt. Für die Chipfabriken von TSMC und Intel musste zuletzt bereits ein Zigfaches geboten werden. Und auch andere Autobauer entscheiden sich bei ihrer Standortwahl immer öfter gegen Europas größte Volkswirtschaft – darunter die chinesischen E-Auto-Bauer BYD (Ungarn) und Chery (Spanien). Andere Autobauer (Ford) reduzieren ihren Fußabdruck.

Die Investitionsscheu hängt dabei höchstens sekundär an unzureichenden Subventionen. Auch dafür dient Tesla als Beispiel. CEO Elon Musk hat die Milliarde bis heute nicht in Anspruch genommen. Wieso? Weil das mit Einschränkungen und Auflagen einhergegangen wäre. Was einen Unternehmer vor allem an einem Standort reizt, ist Gestaltungsspielraum. Und der nimmt hierzulande in einer Geschwindigkeit ab, der selbst der agile E-Autobauer Tesla kaum etwas entgegensetzen kann.

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