Fremdbesitzverbot

Private Equity kommt durch die Hintertür ins Steuerberatungsgeschäft

Finanzinvestoren wie KKR, Silver Lake oder Partners Group drängen in den bisher abgeschotteten Markt für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Trotz „Fremdbesitzverbot“ finden sie Wege, die Branche mit ihren Investments neu zu ordnen.

Private Equity kommt durch die Hintertür ins Steuerberatungsgeschäft

Private Equity kommt
durch die Hintertür

Finanzinvestoren wie KKR, Silver Lake oder Partners Group drängen in den bisher abgeschotteten Markt für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Trotz „Fremdbesitzverbot“ finden sie Wege, die Branche mit ihren Investments neu zu ordnen.

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Eigentlich untersagt das „Fremdbesitzverbot“ in Deutschland reinen Finanzinvestoren die direkte und mehrheitliche Beteiligung an Anwalts-, Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Das hält Private-Equity-Firmen jedoch nicht davon ab, sich immer stärker indirekt in solchen und benachbarten Branchen mit Investments zu engagieren. Das geschieht durch Finanzierungen, indirekte Beteiligungen und auf Umwegen wie über die Rechtsform der EU Holding. Sie beschleunigen die Neuordnung des bisher gegen Veränderung gut abgeschotteten und kleinteiligen Marktes für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung in Deutschland.

Eines der Beispiele für Investments von Finanzinvestoren in Beratungsunternehmen wie Steuerkanzleien ist KKR. Der US-Private-Equity-Riese hat sich an der Finanzierung der Essener ETL-Gruppe beteiligt, die mehr als 1.000 Steuerkanzleien in Deutschland und Europa umfasst und auch Wirtschaftsprüfer unter ihrem Dach vereint. In derselben Ecke der Beratung tummelt sich auch der Finanzinvestor Silver Lake, der mit dem französischen Portfoliounternehmen Cegid die deutsche Buchhaltungssoftwarefirma Sevdesk aus Offenburg erworben hat, die wiederum Steuerberater vermittelt.

Und der Schweizer Assetmanager Partners Group bringt es mit seiner Unternehmensgruppe Afileon inzwischen auf 20 größere Steuerkanzleien in Deutschland. Die Dachmarke „Afileon“ soll Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung deutlich effizienter als die Konkurrenz anbieten. Für 2027 sind 500 Mill. Euro Umsatz angepeilt.

Bei der SEC gemeldet

Oft sind die Investments nicht unmittelbar durchschaubar: Mit der Pflichtveröffentlichung „Form 10-Q“ für die US-Börsenaufsicht SEC vom 30. Juni 2024 hat KKR der Behörde eigentlich ein indirektes finanzielles Engagement bei der Essener ETL AG zur Kenntnis gegeben. Dort heißt es auf Seite 27 in einer Aufzählung neuer KKR-Investments: „ETL AG Steuerberatungsgesellschaft is a German tax consultancy group and is based in Essen, Germany.“ Das Form 10-Q ist ein vierteljährlicher Finanzbericht, den börsennotierte Unternehmen bei der SEC einreichen müssen. Es handelt sich um einen Zwischenbericht, der Investoren und anderen Stakeholdern zur Information dient.

Doch so einfach ist es nicht. „KKR ist nicht an der ETL AG beteiligt“, sagt KKR-Managerin Laura Schröder. „Wir haben 2019 mit unserer Finanzierung eine Nachfolgelösung ermöglicht. Steuerkanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gehören grundsätzlich zu den Bereichen im Dienstleistungssektor, die wir unter anderem beobachten.“

Nur eine Finanzierung

Bei der SEC hat KKR die ETL-Finanzierung gemeldet, als ein Teil dieser Finanzierung als Investment auf die Abteilung Private-Wealth-Strategie innerhalb von KKR übertragen wurde. Welches Volumen die Finanzierung hat, wurde nicht öffentlich bekannt gegeben.

Auch Martin Lehmann, COO der ETL AG, bestätigt: „KKR hat sich nicht an der ETL AG beteiligt. Vielmehr hat KKR die Nachfolgeregelung finanziell unterstützt, als der Gründer Franz-Josef Wernze ausschied. Es wurde die Übernahme der Mehrheit der Anteile durch fünf der führenden Manager finanziert.“ Eine Minderheitsbeteiligung gehört der Stiftung der Familie Wernze. Bei ETL handelt es sich inzwischen um eine Gruppe von 1.000 weitgehend autarken Einheiten mit rund 2 Mrd. Euro Umsatz und insgesamt rund 19.000 Beschäftigten, die überwiegend Steuerberater sind und meist für kleinere Selbständige arbeiten. Gebündelt und zentral koordiniert werden der Einkauf von Software, das Einstellen von Mitarbeitern oder Fortbildungen. Zudem steigert gemeinsam entwickelte KI die Effizienz der Mitarbeiter. Die Abläufe werden automatisiert, damit man in der gleichen Zeit mehr Mandanten betreuen kann.

KKR finanzierte Nachfolge

KKR verletzt also mit der Finanzierung der Nachfolgeregelung bei ETL nicht das „Fremdbesitzverbot“. Ohnehin ist der Begriff „Fremdbesitzverbot“ missverständlich. „Gemeint ist damit jeweils, dass Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft nur bestimmte juristische und natürliche Personen sein dürfen und diese Personen in der Gesellschaft tätig sein müssen“, definiert Rechtsanwalt Dirk Uwer, Partner der Kanzlei Hengeler. „Während das deutsche Recht keine Beschränkungen für die Fremdkapitalquote von rechts- und steuerberatenden Gesellschaften kennt, sind Eigenkapitalbeteiligungen Berufsfremder aus historischen, heute überwiegend als nicht mehr zeitgemäß und nicht marktkonform empfundenen Gründen noch immer beschränkt.“

Der zum 1. August 2022 grundlegend geänderte Rechtsrahmen unterscheidet sich laut Uwer für Berufsausübungsgesellschaften, die der Bundesrechtsanwaltsordnung oder der Patentanwaltsordnung unterliegen, einerseits sowie für Steuerberatungsgesellschaften und für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften andererseits: An Anwaltskanzleien dürfen sich nach geltendem Recht neben freiberuflichen Berufsträgern nur zugelassene anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften beteiligen. Hier ist das „Fremdbesitzverbot“ also streng ausgestaltet.

Wirtschaftsprüfer dürfen mehr

Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft dürfen laut Uwer hingegen auch in Deutschland anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Für sie erlaubt die Wirtschaftsprüferordnung eine weitergehende Gesellschafterstruktur: Personen, die nicht selbst Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind, dürfen eine Minderheitsbeteiligung (also bis 49,9%) halten. Deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaften können zudem im Eigentum von EU- oder EWR-Abschlussprüfergesellschaften stehen und schließlich muss nur die Hälfte der Gesellschafter auch aktiv in der Gesellschaft tätig sein.

Während das deutsche Recht keine Beschränkungen für die Fremdkapitalquote von rechts- und steuerberatenden Gesellschaften kennt, sind Eigenkapitalbeteiligungen Berufsfremder aus historischen, heute überwiegend als nicht mehr zeitgemäß und nicht marktkonform empfundenen Gründen noch immer beschränkt.

Dirk Uwer, Partner der Kanzlei Hengeler

Damit ergeben sich rechtlich zulässige Gestaltungsspielräume: „Eine anerkannte deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, an der eine EU- oder EWR-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mehrheitlich beteiligt ist, darf Steuerberatungsgesellschaften erwerben“, erklärt Uwer. „Das Anerkennungsregime für ihre Muttergesellschaft richtet sich nach dem Recht des Landes, in dem diese ihren Sitz hat.“ Die Akquisitionsstruktur müsse berücksichtigen, dass die Wirtschaftsprüferordnung und das Steuerberatungsgesetz es verbieten, Gesellschaftsanteile für Rechnung Dritter (also Nicht-Gesellschafter) zu halten. Zudem dürfen Dritte nicht am Gewinn der Steuerberatungsgesellschaft beteiligt werden. Hat eine Steuerkanzlei auch eine Zulassung als anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft, muss dieses Geschäft herausgelöst und in eine eigenständige Anwaltsgesellschaft ausgelagert werden, für deren Gesellschafterstruktur das strengere „Fremdbesitzverbot“ gilt.

Finanzinvestoren verbleiben nach Einschätzung von Uwer auch nach der Bestätigung des anwaltlichen „Fremdbesitzverbots“ durch den Europäischen Gerichtshof vielfältige legale Investitionsmöglichkeiten. „Ihre Umsetzung setzt besondere berufsrechtliche Expertise in einem hochregulierten Marktumfeld voraus“, sagt der Anwalt. „Das lebhafte Interesse vieler vor allem mittelständischer Marktteilnehmer, Finanzinvestoren in ihren Gesellschafterkreis aufzunehmen, kontrastiert mit der traditionell ablehnenden Haltung von Bundesrechtsanwalts- und Bundessteuerberaterkammer.“ Diese Haltung zu überwinden sei Aufgabe des Gesetzgebers in der neuen Legislaturperiode.

Größenvorteile in der Gruppe

Steuerberatungsgruppen zielen bei Zukäufen im Rahmen einer Buy-and-build-Strategie meist auf Firmen mit einem ein- oder zweistelligen Millionenumsatz und fügen sie zu größeren Gruppen von GmbHs unter einer gemeinsamen Dachgesellschaft zusammen, die wiederum zentrale Aufgaben wie Recruiting, Software und IT, Compliance und Branding übernimmt. Durch die Vereinheitlichung von Prozessen und Software werden die Kosten der Gruppe gesenkt und so der Wert der Beteiligungen gesteigert. Hinzu kommt das Potenzial durch generative künstliche Intelligenz. Dafür braucht es umfangreiche Investitionen für das Training der KI und entsprechende Daten.

Kritiker befürchten indes Interessenkonflikte, wenn Finanzinvestoren Wirtschaftsprüfer besitzen. Die Skepsis speist sich aus Skandalen der Vergangenheit. Angesichts von Wirecard und Cum-ex erscheint das nicht völlig übertrieben. Es gilt vielen Steuerberatern als Tabubruch, dass KKR die Eigentümer von ETL finanziert.

Direkte Beteiligung bleibt unzulässig

Eine direkte Beteiligung an Wirtschaftsprüfern bleibt in Deutschland unzulässig. Laut Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) ist zwar europarechtlich „die unmittelbare Beteiligung von reinen Finanzinvestoren an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in bestimmten Grenzen zulässig“, wie der Berufsverband erklärt. „In Deutschland ist dies indes nicht zulässig“, sagt IDW-Vorstandssprecherin Melanie Sack.

Gemäß Paragraf 28 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) können Gesellschafter hierzulande ausschließlich Berufsangehörige, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, EU-Abschlussprüfer oder andere Personen sein, mit denen Wirtschaftsprüfer ihren Beruf gemeinsam ausüben dürfen. Das IDW spricht sich dafür aus, den Gesellschafterkreis von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zumindest um sogenannte mitarbeitende Experten zu erweitern. Dies könnten etwa Spezialisten für Nachhaltigkeit oder Digitalisierung sein.

„In Zukunft wird die Digitalisierung unter Einsatz künstlicher Intelligenz die Beraterbranche stark verändern“, sagt Anwalt Christian Alexander Mayer von der Kanzlei Noerr voraus. „Zum einen brauchen Unternehmensberatungen hohe Investitionen in KI, um im Wettbewerb bestehen zu können. Zum anderen verschwimmen zusehends die Grenzen zwischen Beratungs- und Softwaregeschäft.“ Ein Beispiel dafür ist der Flugentschädigungs-Dienstleister Flightright, der KI in der Rechtsberatung einsetzen könnte.

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