Prüfer-Posse
Monatelang sucht ein ins Schlingern geratenes Unternehmen einen Abschlussprüfer. Erst lehnt die ausgewählte Adresse überraschend ab, dann meldet sich niemand auf die Ausschreibung, und auch Direktansprachen sind erfolglos. Die Zeit vergeht, zunehmend nimmt die Suche Züge von Verzweiflung an. Schließlich bittet das Unternehmen ein Amtsgericht um Bestellung des Abschlussprüfers. Das ist quasi der letzte Ausweg. Doch die benannte Prüfungsgesellschaft sagt nein.
Was wie eine Absurdität daherkommt, ist tatsächlich passiert: Der Immobilienkonzern Adler Group steht noch immer ohne Prüfer da. KPMG lehnt nämlich die gerichtliche Bestellung zum Abschlussprüfer der deutschen Tochter Adler Real Estate ab. Dieses Recht hat man – es gibt keinen Kontrahierungszwang. Doch KPMG erweist sich selbst und der ganzen Prüferzunft einen Bärendienst. Gleiches gilt für andere Gesellschaften, die Adler ebenfalls einen Korb gegeben haben.
Der Immobilienkonzern steckt nun im Dilemma: Das Handelsgesetzbuch schreibt zwingend einen geprüften Jahresabschluss vor. Aber niemand ist bereit, das ungeliebte Mandat zu übernehmen. Der Fall ist beispiellos in der deutschen Wirtschaftsgeschichte, zumindest für Unternehmen in der Größe von Adler.
Weiterhelfen würde eine Selbstverpflichtung der Prüferbranche, sich einer gerichtlichen Bestellung nicht zu verweigern. In letzter Konsequenz wäre der Gesetzgeber gefordert: Wer eine Abschlussprüfung vorschreibt, muss auch dafür sorgen, dass es jemand macht. Solch ein Mechanismus fehlt bisher.
Vermutlich hat letztlich das zerrüttete Vertrauensverhältnis KPMG davon abgehalten, über ihren Schatten zu springen. Dabei wäre die Gesellschaft geradezu prädestiniert für das Mandat. KPMG kennt Adler bestens. Schließlich hat die Gesellschaft schon bisher die Jahresabschlüsse geprüft und auch das Sondergutachten zu den Betrugs- und Manipulationsvorwürfen des Shortsellers Fraser Perring erstellt. Noch heute prüft eine KPMG-Einheit, nämlich die in Tel Aviv, die zur Adler-Gruppe gehörende Brack Capital Properties. Es handelt sich um ein ziemlich komplexes Mandat: Brack hat ihren Sitz in den Niederlanden, die Börsennotierung ist in Israel, die Assets befinden sich in Deutschland.
Welche Optionen bleiben Adler? Das Management kann bereits kontaktierte Adressen abermals ansprechen, oder es versucht, das aufwendige Mandat auf den Schultern mehrerer kleinerer Prüfer zu verteilen. Eine weitere Möglichkeit ist, abermals das Gericht um Bestellung zu bitten.
In der Prüferbranche sorgt der Fall für heiße Diskussionen. Denn es ist ein Unding, dass der Fortbestand eines Unternehmens unter anderem an einer verweigerten Abschlussprüfung hängt. Gerade erst hat der Berufsverband IDW einen Wertekodex präsentiert, der verloren gegangenes Vertrauen in die Branche wiederherstellen soll.
Da wird in hehren Worten beschrieben, welche Prinzipien die Wirtschaftsprüfer bei ihrer Arbeit leiten. Dazu sollte auch die grundsätzliche Bereitschaft gehören, der Bitte eines Unternehmens um Abschlussprüfung nachzukommen. Sonst könnte der Staat die Prüferauswahl in die Hand nehmen – und die Arbeit nach Gebührenordnung entlohnen.