LeitartikelAnti-Geldwäsche-Behörde

Mission Wiedergutmachung

Noch bevor das Bewerbungsverfahren offiziell begonnen hat, ist Deutschlands Bewerbung um den Sitz der EU-weiten Anti-Geldwäsche-Behörde in Fahrt. Gut so!

Mission Wiedergutmachung

Geldwäsche-Behörde

Mission Wiedergutmachung

Stefan Reccius, Brüssel

Die neue Anti-Geldwäsche-Behörde der EU gehört nach Frankfurt – und nach dem EBA-Debakel stehen die Chancen diesmal nicht schlecht.

Diesmal soll alles besser werden. Noch bevor das Bewerbungsverfahren offiziell begonnen hat, ist Deutschlands Bewerbung um den Sitz der EU-weiten Anti-Geldwäsche-Behörde in Fahrt. Vor Jahren hat Olaf Scholz als Finanzminister das Vorhaben mit initiiert. Seit Monaten koordinieren Beteiligte sich in Arbeitsgruppen. Seit Wochen ist die Pro-Frankfurt-Webseite geschaltet. Vor einigen Tagen haben die Bewertungskriterien Konturen angenommen. Frankfurt ist mit seiner Bewerbung früh dran.

Gut so: Für den Finanzplatz Frankfurt, das Land Hessen und die Bundesregierung trägt die Mission AMLA (Anti-Money Laundering Authority) Züge einer Wiedergutmachung. Das gilt in doppelter Hinsicht: Das halbherzige Buhlen um den Umzug der Bankenaufsichtsbehörde EBA aus London an den Main infolge des Brexit scheiterte kläglich. Im Kampf gegen Geldwäsche hat Deutschland durch Negativschlagzeilen von sich reden gemacht. Beides lässt sich nun geraderücken.

Als es um die EBA ging, schaffte Frankfurt es gegen Paris und Dublin nicht mal in die enge Auswahl. Es war ein Debakel mit Ansage: Während Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit einer Charmeoffensive Erfolg hatte, wird der damaligen Kanzlerin Angela Merkel bis heute demonstratives Desinteresse vorgeworfen. Diesmal hat in Berlin ein Duo das Sagen, dem niemand erklären muss, was es mit AMLA und FIU auf sich hat: Die Rede ist von Merkels Nachfolger Scholz im Kanzleramt und Scholz‘ Nachfolger Christian Lindner im Finanzministerium.

Scholz und Lindner lassen keinen Zweifel, dass sie sich für Frankfurt als Standort der Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA einsetzen. Lindner flankiert das Vorhaben mit der Initiative, ein Bundesfinanzkriminalamt aus dem Boden zu stampfen. Es ist eine Reaktion auf eklatante Versäumnisse im Kampf gegen Geldwäsche, die sich nicht auf den Finanzsektor im engeren Sinne beschränken: Vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass sich in der deutschen Financial Intelligence Unit (FIU) um die 100.000 Verdachtsmeldungen stapeln. Ein Offenbarungseid.

Mit einer EU-weiten Behörde sollen solche Zustände Vergangenheit sein. Die AMLA erhält unter anderem den Auftrag, als „Aufsicht der Aufsicht“ nationalen Behörden auf die Finger zu schauen und notfalls selbst einzugreifen. Außerdem soll sie die größten Banken der EU direkt beaufsichtigen, nach den Vorstellungen des EU-Parlaments zwischen 40 und 60. Hier zeichnen sich, was die betroffenen Adressen betrifft, wesentliche Überschneidungen mit dem Mandat der einheitlichen Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) ab.

Die „enge Zusammenarbeit“ mit bestehenden EU-Institutionen ist ein wichtiges Auswahlkriterium. Das spricht ebenso für Frankfurt wie die Maßgabe, fähiges Fachpersonal aufzutreiben. Andererseits streben die EU-Parlamentarier eine „ausgewogene geografische Verteilung“ von Institutionen an. Das wiederum lässt sich gegen Frankfurt auslegen, wo ja neben der EZB auch die Versicherungsaufsicht EIOPA sitzt. Es verschlechtert ebenso die Karten von Paris, das neben der Bankenaufsichtsbehörde EBA auch die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA beherbergt.

Eine gewisse Ambivalenz der Auswahlkriterien ist gewollt: Letztlich handelt es sich um eine politische Entscheidung, dem stehen allzu rigide Kriterien nur im Weg. Die große Unbekannte ist das EU-Parlament: Die Abgeordneten reden von nun an entscheidend mit, wenn es um den Aufbau von EU-Behörden geht. Das hat der Europäische Gerichtshof klargestellt. Das macht den Bewerbungsprozess unberechenbarer, erhöht aber zugleich die Einflussmöglichkeiten der Emissäre aus Frankfurt und Berlin.

Das haben natürlich auch andere erkannt. Dem Kriterienkatalog des EU-Parlaments zufolge sei ein Standort „von bewährter Qualität“ im Kampf gegen Geldwäsche zu wählen. Wer darin einen Seitenhieb auf die deutsche Bewerbung erkennt, liegt nicht falsch. Ein Selbstläufer wird die Mission Wiedergutmachung nicht. Aber mit stichhaltigen Argumenten und politischer Entschlossenheit stehen die Chancen nicht schlecht, dass es diesmal besser läuft.