Großfeuer von Los Angeles belasten Versicherer mit 50 Mrd. Dollar
Im Blickfeld
Waldbrände belasten Versicherer erheblich
Die Großfeuer von Los Angeles dürften als die teuerste Naturkatastrophe in den USA in die Geschichte eingehen. Die Belastung für die Assekuranz wird auf 50 Mrd. Euro taxiert.
Von Thomas List, Frankfurt
Die Waldbrände rund um Los Angeles scheinen zum größten Teil eingedämmt zu sein. Die Schäden sind erheblich. Mit Stand 28. Januar wütete das Feuer auf mehr als 20.000 Hektar oder 200 Quadratkilometern, tötete mindestens 29 Menschen, zerstörte 16.250 Gebäude und beschädigte weitere 2.100. Mehr als 200.000 Menschen mussten evakuiert werden. Die Schadenschätzungen gehen bis 275 Mrd. Dollar. Damit könnten die Waldbrände die teuerste Naturkatastrophe sein, die jemals die USA heimgesucht hat.
Nur ein Teil ist versichert
Wie bei solchen Katastrophen üblich, ist nur ein Teil der Schäden auch versichert. Dabei reichen die Schätzungen von 20 bis annähernd 50 Mrd. Dollar – wobei diese Schätzungen nur sehr grob sein können, da zum einen die Brände noch nicht vollständig gelöscht sind (und sie ja jederzeit wieder aufflammen können) und zum anderen das Schadenausmaß noch bei weitem nicht vollständig erfasst ist. Klar ist, dass in erster Linie Privathäuser zerstört wurden. Im mit rund 9.500 Hektar größten betroffenen Gebiet, dem Stadtteil Palisades von Los Angeles, wohnten viele Prominente, die in luxuriösen Häusern gelebt haben. Das müsste die Schadensummen in die Höhe treiben. Allerdings ist unklar, ob nicht einige Eigentümer unterversichert sind. Außerdem sind die Policen nach dem kalifornischen „Fair Plan“ für Wohngebäude auf 3 Mill. Dollar und für Geschäftshäuser auf 20 Mill. Dollar begrenzt. Im Schadenfall ersetzt die normale „Fair Plan“-Police nur den Zeitwert des Hauses. Eine Neuwert-Deckung kostet extra.
Im Stadtteil Palisades hat das Median-Eigenheim nach Erkenntnissen von Realtors.com einen Wert von 3 Mill. Dollar. Im am zweitschwersten betroffenen Stadtteil Eaton sollen es etwa 1,3 Mill. Dollar sein. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften und Baumaterialien dürfte die Wiederherstellungskosten weiter in die Höhe treiben.
Der „Fair Plan“ wird von allen in Kalifornien zugelassenen Versicherern angeboten. Er soll auch Eigenheimbesitzern in Hochrisikogebieten einen grundlegenden Sachversicherungsschutz gegen Feuer und Blitzschlag bieten. Gegen weitere Risiken wie Sturm, Starkregen, Einbruch oder Hausbesitzer-Haftpflicht muss ein zusätzlicher Vertrag abgeschlossen werden.
Nach ersten Schätzungen liegt das Exposure des „Fair Plan“ im am schwersten betroffenen Pacific Palisades bei etwa 5,9 Mrd. Dollar. Das wäre für den Plan das fünftgrößte Exposure überhaupt, berichtet Moody’s in dem am 28. Januar veröffentlichten Bericht „FAQ: Insurers face high losses from California wildfires“.
Schadenbelastungen ab einer bestimmten Summe kann der kalifornische „Fair Plan“ teilweise oder ganz auf seine Versicherten abwälzen. Bis zu 1 Mrd. Dollar Schadenbelastungen in der Personenversicherung bzw. in der gewerblichen Versicherung darf der „Fair Plan“ zur Hälfte den Versicherten in Rechnung stellen. Darüber hinaus kann er sich die Zahlungen sogar vollständig von den Versicherten zurückholen, sofern der kalifornische Versicherungsaufseher zustimmt.
Wer ein mehr als 3 Mill. Dollar teures Haus sein Eigen nennt, muss auf sogenannte „Excess and surplus (E&S)“-Policen zurückgreifen. Bei ihnen sind die Versicherer frei in der Ausgestaltung und Prämiensetzung. Im Klartext: Sie sind sehr teuer. Trotzdem ist der Markt seit Jahren gewachsen, schreibt Moody’s. In der kalifornischen Wohngebäudeversicherung liegt der Marktanteil der E&S Versicherung bezogen auf die Beitragseinnahmen aber immer noch im unteren einstelligen Prozentbereich.
Allerdings ist unklar, wie viele Eigenheimbesitzer überhaupt noch eine Elementarschadenversicherung haben. Denn einige Versicherer haben sich in den vergangenen Jahren entschlossen, diese Risiken aufgrund der immer häufigeren und schweren Naturkatastrophen in Kalifornien nicht mehr abzudecken. So hat allein der Marktführer State Farm zwischen 2019 und 2024 mehr als 100.000 Hauseigentümern die Verträge gekündigt. Darunter waren 2024 70% ihrer Kunden in den Santa Monica Mountains, die von den Waldbränden ganz besonders schwer betroffen sind.
Großer Einfluss auf Ergebnisse
Die Waldbrände dürften die Quartalsergebnisse der Erstversicherer deutlich schmälern. Der größte Teil werde auf die Gesellschaften entfallen, die normale und E&S-Wohngebäudepolicen, den „Fair Plan“ und die gewerbliche Sachversicherung anbieten, schreibt Moody’s. Ein kleinerer Teil des Schadens werde Kunst- und Kfz-Versicherer betreffen. Die Höhe der Belastungen ergibt sich aus den Marktanteilen der einzelnen Gesellschaften.
Den Angaben zufolge sind in Kalifornien die mit Abstand größten Wohngebäudeversicherer State Farm und Farmers mit Beitragseinnahmen von 2,8 bzw. 2,1 Mrd. Dollar (Zahlen von 2023). Das sind allerdings nur 3% bzw. 8% ihrer gesamten direkten US-Beitragseinnahmen. Deutlich wichtiger ist dieses Geschäft für die Nummer 13 im „golden state“, Pacific. 85% ihrer US-Beitragseinnahmen entfallen auf die dortige Wohngebäudeversicherung. State Farm Insurance ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, gehört also seinen Versicherten. Dagegen ist Farmers Group eine 100-prozentige Tochter des Schweizer Versicherers Zurich.
Auch bei den Rückversicherern werden die Waldbrände zu einer signifikanten Belastung führen. Auf Basis der Schadenschätzungen der versicherten Schäden geht Moody’s davon aus, dass mindestens 30% auf die Rückversicherer entfallen werden, wobei die Ratingagentur von einer gleichmäßigen Verteilung auf die weltweite Branche ausgeht. Bei Fitch heißt es, dass bei versicherten Schäden von 35 Mrd. Dollar etwa 30% der Naturkatastrophenbudgets der vier großen europäischen Rückversicherer Swiss Re, Munich Re Hannover Rück und Scor in Anspruch genommen werden. Bei 45 Mrd. Dollar versicherten Schäden wären es sogar 38%, schrieb Fitch schon am 22. Januar.
Die Rückversicherer selbst haben allerdings noch keine Schadenschätzungen veröffentlicht. Am 22. Januar bezeichnete der Vorstandschef der Munich Re Joachim Wenning die Waldbrände rund um Los Angeles zwar als Großschaden. Doch der werfe den Rückversicherer „überhaupt nicht aus der Bahn“. Die Belastungen seien durch die für Naturkatastrophen reservierten Rückstellungen abgedeckt.
Da die Belastungen für die Rückversicherer noch nicht feststehen, lässt sich auch noch nichts Genaues über die Auswirkungen auf die Preise für Rückversicherungs- und Retrozessionsdeckungen sagen. Ein Spezialist für Versicherungsverbriefungen (Insurance-Linked Securities ILS), Euler ILS Partners, geht in einer am 28. Januar vom Branchendienst Artemis verbreiteten Stellungnahme davon aus, dass bei versicherten Schäden von mehr als 30 Mrd. Dollar sich die Preise in den USA im weiteren Verlauf des Jahres 2025 stabilisieren oder sogar zulegen könnten.
Einer prescht vor
Der auf den Bermudas ansässige Rückversicherer RenaissanceRe (RenRe) ist als auf die Sach-Rückversicherung spezialisiertes Unternehmen von den Waldbränden in besonderem Maß betroffen. Am 29. Januar bezifferte RenRe die Nettobelastungen vor Steuern für den Gewinn im ersten Quartal 2025 auf etwa 750 Mill. Dollar. Dabei geht der Rückversicherer von 50 Mrd. Dollar an versicherten Schäden aus. Fest steht für RenRe-CEO Kevin J. O’Donnell, dass die unternehmenseigenen Schadenmodelle so angepasst werden müssen, dass sie die zunehmende Häufigkeit schwerwiegender Ereignisse besser berücksichtigen. Chubb rechnet im ersten Quartal mit Nettobelastungen vor Steuern von 1,5 Mrd. Dollar.