Fridays For Future

Schiefes Feindbild

Nicht nur für Klimaschutz, auch gegen das Finanzwesen geht Fridays for Future in Frankfurt auf die Straße. Die Bewegung rückt damit zu weit nach links.

Schiefes Feindbild

Was als zukunftsweisende Protestaktion begonnen hat, wartet heute mit antikapitalistischen Tönen aus der Vergangenheit auf: Die Fridays-for-Future-Bewegung zieht am heutigen Freitag durch das Frankfurter Bankenviertel, um für einen rigorosen Klimaschutz, aber auch gegen das Finanzsystem per se zu demonstrieren. „Alle reden vom Klimaschutz, doch sie machen nur Kohle“, heißt es im Aufruf über Politik und Banken. Um eine Klimakrise und eine „neokoloniale Kontinuität“ zu überwinden, sei nicht weniger als eine „Abschaffung der Finanzmärkte und ihrer Logik selbst“ notwendig, schreibt die Bewegung im Vorfeld der Proteste. Aus Klimaschutz wird Antikapitalismus. Wie das Finanzsystem stattdessen aussehen sollte, bleibt vage.

Ob berechtigt oder nicht: Empörung über Banken und das Finanzwesen findet leicht Widerhall. Einige Vertreter der Zunft haben ja auch alles Erdenkliche getan, um eine Branche nachhaltig in Verruf zu bringen – die Stichworte „Finanzkrise“, „Cum-ex“ und „Wirecard“ markieren hier lediglich die haarsträubendsten Fälle. Auch sind etliche Anlageklassen­ vielen Menschen suspekt, seien es Private Equity („Heuschrecke“), Derivate auf Agrarrohstoffe („Nahrungsmittel­spekulation“) oder Kryptogeld („Zockerei“). Doch auch ohne ein Potpourri an Skandalen und Skepsis gegenüber Finanzinstrumenten wäre die Branche in linken Kreisen im Verruf. Fridays for Future gehört jetzt zum Chor derjenigen, die einen „blinden Profitzwang“ brandmarken. Na klar, Gewinnstreben über Gesetze und wesentliche ethische Standards hinweg wird – hoffentlich – niemand gutheißen. Doch das Ziel von Rentabilität im Wirtschaftsleben ist im angemessenen Rahmen eben Voraussetzung dafür, dass Unternehmen funktionieren und Geschäftsmodelle bestehen – nicht nur in der Privatwirtschaft. Leider ist eine differenzierte Sicht schwierig, sobald man ein Feindbild zeichnet.

Dabei sind die Klimaproteste der meist jungen Menschen in toto hilfreich, denn sie lenken die Wahrnehmung auf ein wichtiges Problem. Die globale Erwärmung ist ein schwer beherrschbares und bedrohliches Phänomen, das weltweit Entschlossenheit und Zusammenarbeit fordert. Banken und andere Geldgeber sind dabei ein Teil im Getriebe, denn sie finanzieren Unternehmen und damit auch umstrittene Branchen, nicht nur rund um fossile Brennstoffe. Es ist somit richtig, die Rolle von Banken und Finanzfirmen – wie von allen Branchen – kritisch zu sehen. Doch mit ihrem Anspruch, die „Systemfrage“ zu stellen, den Finanzsektor gar als Gegenspieler eines demokratischen Willens­ zu sehen, geht Fridays for Future – zumindest ihr radikaler Flügel – zu weit. Vor allem überzeichnet es den Einfluss der Branche. Solange Fördervorhaben fossiler Brennstoffe rund um den Globus politisch gewollt sind, werden sich auch Geldgeber finden, auch wenn sich deutsche Banken und Kapitalsammelstellen zurückhalten. Die Branche ist kein zentral verwaltetes Kollektiv.

Klimapolitik wird somit nicht in den Doppeltürmen der Deutschen Bank oder im Commerzbank Tower entschieden, also an zwei Adressen, die heute besonders im Fokus der Proteste stehen dürften. Einen politischen Konsens vorausgesetzt, kann die Branche eine Klimapolitik aber immerhin begleiten. Die Finanzwirtschaft stellt sich bekanntlich zunehmend der Frage der Nachhaltigkeit, und in Erwartung einer politisch gewollten Wende haben etliche Banken, Versicherer und Fondsadressen einen Rückzug aus der Finanzierung der Kohle skizziert. Zur Debatte über Nachhaltigkeit haben Organisationen wie Urgewald, Finanzwende und der WWF wesentlich beigetragen. Was aber die Protestankündigung des Klimastreiks so bedenklich macht, ist die grundsätzliche Ablehnung eines Systems. Anstatt auch in der politischen Mitte Menschen einzubinden, orientiert sich die Bewegung mit ihrer Rhetorik am linken Rand. Bleibt zu hoffen, dass Randale wie anlässlich der Proteste der Blockupy-Bewegung vor einigen Jahren heute ausbleibt.

Was immer auch die Finanzbranche tut: Der Klimaschutz wird nur gelingen, wenn es eine starke internationale Übereinkunft gibt und nicht zuletzt auch die Bereitschaft da ist, steigende Preise für Treibhausgasemissionen aller Art zu akzeptieren. Ob es eine politische Mehrheit für solch schmerzhafte Einschnitte gibt, wird sich zeigen. Die Gefahr ist real, dass ein Minimalkonsens zwar eine strengere Finanz­regulierung, ansonsten aber zu wenige Anreize für Menschen und Unternehmen vorsieht. Spätestens dann würde sich die begrenzte Macht der Finanzbranche deutlich zeigen. Das Bild hängt schief.