Notiert in BrüsselEU-Kommission

Schlag auf Schlag

Es scheint, die EU-Kommission hat sich im März mehr vorgenommen als im gesamten vergangenen Jahr. Autoindustrie und Verteidigung stehen dabei besonders im Fokus.

Schlag auf Schlag

Notiert in Brüssel

Schlag auf Schlag

Von Detlef Fechtner

Ein alter Kalauer lautet: Wie viele Beamte arbeiten eigentlich bei der EU-Kommission? Ungefähr die Hälfte. Ja, na klar – aus solchem Spott spricht natürlich nur der Neid auf die Eurokraten. Weil sie weniger Steuern zahlen als gewöhnliche Arbeitnehmer. Und weil sie einen Feiertag mehr haben als alle anderen, nämlich den Europatag, den Heiligen Schuman am 9. Mai. Weil genau an diesem Tag vor 75 Jahren der damalige französische Außenminister Robert Schuman eine Rede hielt, die als Geburtsstunde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gilt, dürfen EU-Beamte alljährlich blau machen. Manch anderer würde sich gewiss ebenfalls freuen, wenn sein Arbeitgeber einen Urlaubstag per annum zusätzlich spendieren würde – in Erinnerung an die Gründung der Unternehmung.

Aber: Dieser Tage ist für EU-Beamte alles andere als Hängematte angesagt. Vielmehr Hamsterrad. Denn nachdem die EU-Kommission voriges Jahr angesichts der Neuwahl des EU-Parlaments und ihrer anschließenden Neuformation zumindest mal einen Gang heruntergeschaltet hat, fährt Präsidentin Ursula von der Leyen dieser Tage das Tempo wieder kräftig hoch. Ein „Aktionsplan“ jagt den anderen, auf einen „Deal“ folgt umgehend die nächste „Strategie“. Und dabei geht es nicht etwa um Randthemen, die nur eine Abteilung einer Generaldirektion betreffen, sondern Querschnittsvorhaben, an denen Dutzende Einheiten aus sehr unterschiedlichen Ressorts beteiligt sind, was wiederum den Koordinierungsaufwand in die Höhe treibt.

Omnibus-Pakete

Schlag auf Schlag: Diese Woche unterbreitete bereits EU-Landwirtschafts-Kommissar Christophe Hansen seine „Agri-Vision“. Voraussichtlich nächste Woche sollen der Aktionsplan für bezahlbare Energie und die neue Industriestrategie (Clean Industrial Deal) folgen – und außerdem die „Omnibus“-Pakete Nummer eins und zwei. Omnibus hat natürlich nichts mit Öffentlichem Nahverkehr zu tun, auch wenn manche Überschrift von Kollegen („EU legt Fahrplan für Omnibus fest“) diesen Eindruck verstärkt hat. Vielmehr bezeichnet „Omnibus“ eine Initiative, die Anpassungen an verschiedenen Richtlinien oder Verordnungen vorsieht – im aktuellen Fall in Bezug auf den Abbau von Bürokratie.

Danach geht es dann Schlag auf Schlag weiter: Anfang März sind der Aktionsplan für die Autoindustrie ebenso angekündigt wie die „Road Map“ für Frauenrechte und der Binnenmarkt für die Qualifizierung von Arbeitskräften („Union of Skills“) – allesamt Vorhaben, die ebenfalls in Richtung Omnibus tendieren. Anschließend ist das Gesetz für kritische Arzneien angekündigt, eine Mitteilung zur Spar- und Investmentunion (dem neuen Schlagwort für den etwas abgenutzten Begriff der Kapitalmarktunion) und schließlich das „Weißbuch“ für nichts Geringeres als „die Zukunft der europäischen Verteidigung“. Hand aufs Herz, wer von den EU-Beamten in den Karnevalsferien im März Urlaub gebucht hat, der sollte schon einmal anfangen, die Stornobedingungen zu studieren.

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