Im BlickfeldSchwacher TV-Werbemarkt

Schlechte Nachrichten für die privaten Fernsehsender

Die Flaute im TV-Werbemarkt in Deutschland trifft ProSiebenSat.1 und RTL hart. Die Aussichten für das wichtige Weihnachtsgeschäft wecken kaum Zuversicht.

Schlechte Nachrichten für die privaten Fernsehsender

Schlechte Nachrichten

Der schwache Fernsehwerbemarkt in Deutschland trifft ProSiebenSat.1 und RTL hart. Die Aussichten für das wichtige Weihnachtsgeschäft wecken kaum Zuversicht.

Von Joachim Herr, München

Flaute und kein Ende in Sicht: Die Konjunktur liegt am Boden, Konsumenten halten sich zurück, Unternehmen kürzen ihre Werbeetats. RTL schätzt, dass der Fernsehwerbemarkt in Deutschland in den ersten neun Monaten dieses Jahres gerade mal um ein halbes bis bestenfalls eineinhalb Prozent gewachsen ist. Die Spanne bezieht sich auf die Nettoerlöse.

Bruttoangaben, die Rabatte außen vor lassen und zudem Eigenwerbung sowie Provisionen für Agenturen enthalten, beschönigen die Lage: Auf dieser Basis sind die Werbeeinnahmen von ProSiebenSat.1 von Januar bis September nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen um 7,3% gestiegen. Tatsächlich meldete ProSiebenSat.1 nur ein mageres Plus von 1%. Die Erlöse der TV-Werbung sanken sogar um knapp 2% auf 986 Mill. Euro.

Stagnation im Oktober

Auf der anderen Seite legten die Digitalumsätze um 7,5% auf 214 Mill. Euro zu. Doch das Größenverhältnis zeigt: Die Fernsehreklame dominiert nach wie vor mit zwei Dritteln die Erlöse. Am Konzernumsatz hatte sie zuletzt einen Anteil von 37%. RTL lag mit einer Quote von 38% noch einen Tick höher.

Eine starke Weihnachtszeit könnte einiges wettmachen. Danach sieht es jedoch nicht aus. „Der für unser TV-Werbegeschäft entscheidende private Konsum hat sich nicht so positiv entwickelt, wie von uns zu Jahresbeginn erwartet“, sagt Martin Mildner, Finanzvorstand von ProSiebenSat.1. Für die letzten Monate des Jahres rechnet er mit einem weiteren Rückgang. Genauer lässt sich die Entwicklung nicht vorhersagen, da Kunden Werbung zum Teil erst kurzfristig hinzubuchen. Die jüngsten Zahlen von Nielsen bieten jedenfalls wenig Grund für Optimismus: Im Oktober stagnierten die Bruttowerbeerlöse.

Die letzten Monate entscheiden

ProSiebenSat.1 erzielt im vierten Quartal etwa 30% des Jahresumsatzes und sogar rund 40% des operativen Ergebnisses (Ebitda ohne Sondereffekte). RTL erwirtschaftet ebenfalls rund ein Drittel des Konzernerlöses in den letzten drei Monaten eines Jahres. Quartalserträge nennt das Unternehmen nicht. Im zweiten Halbjahr liegt das Ergebnis jedoch deutlich über dem der ersten Hälfte: Für 2024 erwartet der Vorstand drei Viertel in den sechs Monaten von Juli bis Dezember.

Das Werbegeschäft ist sehr profitabel. In früheren Jahren lag die Marge von ProSiebenSat.1 bei 30%. Inzwischen hat sich der Mix verändert: Zur klassischen TV-Reklame kam die digitale hinzu. Reichweite und Umsätze der Streaming-Plattformen beider Sendergruppen steigen, doch müssen sie nach wie vor Anlaufverluste bewältigen: ProSiebenSat.1 mit „Joyn“, der Konkurrent mit RTL+ und M6+ in Frankreich.

Digitale Formate noch mit Verlusten

Der sogenannte Tausender-Kontakt-Preis der Werbung auf den Streaming-Plattformen sei höher als der für klassische TV-Reklame, sagt ein Sprecher von RTL. Dieser Preis gibt an, wie viel ein Kunde bezahlen muss, um 1.000 Personen einer Zielgruppe mit Werbung zu erreichen. Für die digitale Variante könne mehr verlangt werden, da diese zielgerichteter sei. Doch das Volumen ist noch überschaubar.

Einbußen in der Werbung schlagen sich direkt im Ertrag nieder: Sowohl ProSiebenSat.1 als auch RTL haben in diesen Tagen das Jahresziel an das untere Ende der angestrebten Spanne gesenkt. Im Gegensatz zu ProSiebenSat.1 gelang es RTL, den TV-Werbeumsatz in den ersten neun Monaten zu steigern: um 2,3% auf 1,6 Mrd. Euro. Für das gesamte Jahr rechnet das Unternehmen aber bestenfalls mit einem stabilen Erlös, wie der Sprecher erläutert. Zum leichten Wachstum in den ersten neun Monaten trug der Werbemarkt in Frankreich mit einem von RTL geschätzten Anstieg der Nettoerlöse um 5% bei. Das Nachbarland schnitt deutlich besser ab als Deutschland. Doch der Markt hierzulande ist auch für RTL der größte.

Sport bringt mehr Werbung

In Frankreich ist das Unternehmen am zweitgrößten Sender M6 beteiligt. Der zeigte wie RTL einen Teil der Spiele der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland im Juni und Juli. ProSiebenSat.1 hatte das Turnier nicht im Programm.

Große Sportereignisse mit hohen Einschaltquoten sind ein attraktiver Rahmen für Werbekunden. Die Olympischen Spiele in Paris im August übertrugen ARD und ZDF. Auch damit erklärt RTL den Rückgang der TV-Werbeumsätze der Gruppe im dritten Quartal um 2,3%. ProSiebenSat.1 verweist ebenfalls auf den Olympia-Effekt.

Aktienanalysten bewerten den Quartalsbericht von ProSiebenSat.1 angesichts des schwierigen Umfelds als passabel bis ordentlich, zum Teil als besser als erwartet. „Hätte schlimmer kommen können“, heißt es von der DZ Bank. Allerdings rechnen deren Branchenexperten auch für 2025 nicht mit einer „dynamischen Erholung“ des TV-Werbemarkts. Dessen Lage werde sogar schlimmer, nehmen das Analysehaus Warburg Research und UBS an. Barclays reduzierte ihre Schätzungen für RTL und M6 sowie für TF1, den größten französischen Fernsehsender.

Aktienkurse in drei Jahren halbiert

Die Werbemisere spiegelt sich in den Aktienkursen wider. Seit Frühjahr 2022 haben sich die Börsenwerte von RTL und ProSiebenSat.1 mehr als halbiert. Vor neun Jahren hatte der Kurs von ProSiebenSat.1 mit rund 50 Euro den Höchststand erreicht. Einige Monate später gelang dem Unternehmen als erstes aus der Medienbranche der Sprung in den Dax mit damals noch 30 Mitgliedern. Nach zwei Abstiegen ist es seit knapp einem Jahr im SDax. Vom Spitzenwert ist gerade einmal noch ein Zehntel übrig. Die DZ Bank erkennt im Rückgang in jüngster Zeit auch etwas Positives: Potenzial für eine Erholungsrally. Allerdings fehlt dafür der Motor, solange die Aussichten für die deutsche Konjunktur so trüb bleiben.