Bern

Schlechtes Omen für den Klimaschutz

Erinnern Sie sich an die „Gelbwesten“? Im zentralistischen Frankreich habe die Politik in ihrer Pariser Blase wieder einmal die wahren Bedürfnisse und Sorgen der Landbevölkerung verkannt oder gar ignoriert, kommentierten viele Eidgenossen vor drei...

Schlechtes Omen für den Klimaschutz

Erinnern Sie sich an die „Gelbwesten“? Im zentralistischen Frankreich habe die Politik in ihrer Pariser Blase wieder einmal die wahren Bedürfnisse und Sorgen der Landbevölkerung verkannt oder gar ignoriert, kommentierten viele Eidgenossen vor drei Jahren die schlimmen Straßenkämpfe im großen Nachbarland, nachdem die Regierung von Emmanuel Macron die Energiewende mit Preiserhöhungen auf Benzin und Diesel forcieren wollte.

Spätestens seit Sonntagabend dürfen sich die Pariser Politiker mit der Erkenntnis trösten, dass es auch in der Schweiz Eliten gibt, die von den Befindlichkeiten und Sorgen der Landbevölkerung wenig Ahnung haben. Die Eidgenossen haben an der Urne das CO2-Gesetz versenkt, das von den Parteien im ganzen politischen Spektrum wie von breiten Kreisen der Wirtschaftslobby mitgetragen worden war. Mit dem Gesetz wollte die Schweiz ihren Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 auf die Hälfte des Niveaus von 1990 reduzieren und so einen großen Schritt zum Erreichen der Pariser Klimaziele schaffen.

„Dieses Gesetz hat eine unglaublich breite Unterstützung“, hatte die Umwelt- und Energieministerin Simonetta Sommaruga stets betont. Die siegesgewisse Magistratin wähnte die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) ungeachtet ihrer bekannten Wählerstärke isoliert und ziemlich machtlos auf der Gegnerseite.

Doch die Vorlage fiel durch. Der rein numerisch relativ knappe Sieg der Gegner (51,6%) spricht auf den ersten Blick zwar eine andere Sprache. Doch überdeutlich wird die Ablehnung, wenn man die Verteilung der Nein-Stimmen auf die Regionen anschaut. Nur in den städtischen Gebieten von Genf, Basel und Zürich und in einigen weiteren Zonen der Westschweiz stieß die Vorlage auf Zuspruch. In allen anderen Regionen, insbesondere in den ländlichen Berggebieten, wurde das Vorhaben mit Raten von bis zu 70% zurückgewiesen.

Ein Stück weit erinnert das Muster der Abstimmung an die Konzernverantwortungsinitiative, die im November vorigen Jahres ebenfalls an der fehlenden Zustimmung in den ländlichen Gebieten gescheitert war. Doch es gibt einen zentralen Unterschied: Die Befürworter waren sich ihrer Sache sicher. Deshalb wirkt die Ablehnung wie eine Ohrfeige für die politische Führung im Land. Für Petra Gössi, die Präsidentin der wirtschaftsliberalen Regierungspartei FDP, war die Klatsche offenbar so schmerzhaft, dass sie noch am Montag ihren Rücktritt ankündigte. Sie geht im Wissen, dass ihr ein wesentlicher Teil der ländlichen Wählerschaft die Gefolgschaft verweigert.

Auch die Sozialdemokraten, die Grünliberalen und allen voran die Grünen zeigten sich von dem Abstimmungsergebnis enttäuscht und teilweise sogar erschüttert. Das gilt insbesondere für die Grünen, die im Herbst 2019 in der Parlamentswahl mit einem spektakulären Ergebnis zur viertstärksten Partei aufgestiegen waren. Die grüne Bewegung hat ihre erste harte Bewährungsprobe nicht bestanden. Offensichtlich sorgt sich auch in der Schweiz die mittelständische Landbevölkerung um ihren Wohlstand.

Obschon das CO2-Gesetz ein klimaschonendes Verhalten von Bevölkerung und Wirtschaft nicht erzwingen, sondern mit einer Vielzahl von Anreizen befördern wollte, hätte die Vorlage zu substanziellen Preiserhöhungen von Benzin und Heizöl geführt. Diese wollte die Mehrheit nicht mittragen. Die Gegner hatten vorgerechnet, dass die geplante Preiserhöhung der fossilen Brennstoffe um bis zu 12 Rappen pro Liter sowie die Klimaabgaben auf Flugtickets eine Schweizer Durchschnittsfamilie mit 400 sfr bis 1000 sfr pro Jahr zusätzlich belasten würde.

Zwar hätte ein sehr großer Teil dieser Abgaben via staatliche Subventionen für Gebäudesanierungen oder für Unterstützungsleistungen an die klimagefährdete Bergbevölkerung auch und vor allem an die kritische Landbevölkerung zurückfließen sollen. Doch in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit halten auch die Eidgenossen lieber den Spatz in der Hand, als sich nach der Taube auf dem Dach sehnen zu müssen. Das ist kein gutes Omen für den globalen Klimaschutz. Denn was die Schweizer gerade an der Urne entscheiden durften, könnten die Bürgerinnen und Bürger anderer Länder bei den nächsten Wahlen zum Ausdruck bringen.