Schlüsselindustrie im Elektro-Dilemma
Deutsche Autobauer
Schlüsselbranche im Elektro-Dilemma
Von Stefan Kroneck
Die Elektrostrategien der deutschen Autobauer zeigen unterschiedliche Zwischenstände. Alle fahren nun mehrgleisig.
In Deutschland macht sich die Sorge breit, dass es mit der heimischen Autoindustrie dauerhaft bergab geht. Die Schlüsselbranche der größten Volkswirtschaft der EU sorgt schon seit geraumer Zeit für negative Schlagzeilen. Zu Absatz-, Umsatz- und Ergebnisrückgängen gesellen sich nun fast im Wochentakt Nachrichten über den Abbau Tausender Stellen. Das betrifft sowohl große Zuliefereradressen als auch Hersteller. Der wichtigste Wirtschaftszweig Deutschlands befindet sich in einer strukturellen Krise.
Diese Malaise ist vor allem auf die stockende Transformation zur Elektromobilität zurückzuführen. Die anfängliche Euphorie über die vermeintlich klima- und umweltschonende moderne Fortbewegung auf vier Rädern ist längst verflogen. Die Verkaufszahlen sind längst nicht dort, wo die Befürworter des batteriebetriebenen Antriebs sie gerne sehen würden. Die Gründe für die Nachfrageflaute sind vielfältig. Der Staat kappte die Förderanreize oder schaffte diese viel zu früh gänzlich ab. Die Ladeinfrastruktur lässt immer noch zu wünschen übrig. Die Unterschiede in der Versorgung mit solchen Netzen sind auf regionaler Ebene und zwischen den Ländern immer noch gewaltig. Deshalb pocht die Autolobby auf Nachbesserungen in den oben genannten Punkten.
Kognitive Dissonanzen
Dabei wird auf der Angebotsseite ausgeblendet, dass auch hausinterne Gründe zu der schwierigen Lage geführt haben. Psychologen sprechen von kognitiven Dissonanzen. Man macht Dritte für eigene Probleme verantwortlich, obwohl man weiß, dass bei einem selbst Einiges im Argen liegt. Die deutschen Autobauer befinden sich in einem Elektro-Dilemma. Einerseits bremst Kaufzurückhaltung die Transformation, andererseits besteht Druck seitens der EU, den Umbau – sprich das Aus für Fahrzeuge mit herkömmlichem Verbrennungsmotor – bis 2035 zu bewerkstelligen. Drohende Strafzahlungen bei verfehlten Kohlendioxid-Emissionsvorgaben sorgen zusätzlich für Druck von außen.
Erfolgsrezept „Technologieoffenheit“
Wer die Rechnung aber ohne den Wirt macht, kommt ins Straucheln. In ihrem Eifer übersahen manche Konzernführungen die Bedürfnisse der Kunden. Mit zunächst vollmundigen Ankündigungen, dass man die Zeitvorgabe früher erfüllen werde, geriet mancher Hersteller in die Bredouille. Nach der überraschenden Ansage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), staatliche Subventionen für E-Neufahrzeuge komplett zu streichen, revidierten Volkswagen und Mercedes-Benz vor einem Jahr ihre Elektrostrategien.
Beide Dax-Unternehmen schwenkten um in Richtung des Wettbewerbers BMW, der unter dem Stichwort „Technologieoffenheit“ ein mehrgleisiges Konzept verfolgt – sprich: je nach Bedarf Autos mit Benzin- und Dieselmotoren oder Batterieantrieben baut. Die aus der Spur geratene VW-Tochter Porsche zog jüngst nach. Der Erfolg gibt BMW-Chef Oliver Zipse Recht. Während der Münchner Hersteller 2024 bei weltweit wachsenden Auslieferungen den Anteil sogenannter BEVs (Battery Electric Vehicles) um 2,7 Punkte auf 17,4% steigerte, gingen diese bei den anderen bei teils deutlichem Absatzschwund spürbar zurück. Mercedes-Benz verzeichnete ein Minus von 2,5 Punkte auf 9,3%, VW-Pkw und Porsche jeweils minus 0,1 Punkte auf 8,0 bzw. 12,7%.
Eine noch nicht überzeugende Reichweite und hohe Preise für E-Autos schrecken Verbraucher ab. Letzteres ist das Resultat einer verfehlten, überteuerten Produktstrategie. Wer wie VW-Pkw auf eigene E-Baureihen setzt und diese in separaten Werken mit überschaubarer Kapazitätsauslastung fertigt, braucht sich nicht zu wundern, wenn bei zugleich wachsendem Wettbewerbsdruck aus China die Absatzzahlen und die Margen erodieren.
BMW klüger unterwegs
BMW ist klüger unterwegs. Die Weiß-Blauen bauen ihren E-Ansatz auf bestehende Modelle auf. Das spart Geld. VW-CEO Oliver Blume ist nun bemüht, die unter seinem Vorgänger Herbert Diess begangenen Fehler mit starken Einsparungen inklusive Personalabbau zu revidieren. Doch Blume rennt die Zeit davon. Daher ist nachvollziehbar, dass VW die Bereitschaft Brüssels, die Zielvorgabe von 2035 zu verschieben, befürwortet.