Billigflieger

Schluss mit billig

Den Abschied von den Supergünstig-Preisen gleich mit einem Abgesang auf die Billigfliegerei zu verknüpfen, wäre falsch.

Schluss mit billig

Jahrelang hat Ryanair-Chef Michael O’Leary Passagiere mit Tickets fast zum Nulltarif gelockt, doch damit ist jetzt Schluss. Flüge für unter 10 Euro werde es erst einmal nicht mehr geben, kündigte der Manager an. Das ist angesichts der Kostenexplosion in der Airline-Branche nicht verwunderlich. Der stark gestiegene Ölpreis bläht seit Monaten die Kerosinrechnung auf, der Fachkräftemangel in Kombination mit der hohen Inflation zwingt die Branche dazu, deutlich höhere Löhne zu zahlen. Die Gebühren für die Flugsicherung sind gestiegen und auch die Flughäfen wollen die in der Pandemie gerissenen Ertragslöcher mit Hilfe höherer Entgelte möglichst schnell wieder stopfen.

Ganz an die Passagiere weiterreichen können die Unternehmen den zusätzlichen Aufwand nicht, auch wenn die Ticketpreise stark angezogen haben. Die Ergebnisse der Lufthansa in der ersten Jahreshälfte sprechen da beispielsweise eine deutliche Sprache. Denn obwohl das Unternehmen mittlerweile re­kordhohe Ticketpreise verlangt, sind die Airlines des Konzerns mit Ausnahme der Swiss in den roten Zahlen gelandet. Auch vielen anderen Fluglinien ist es nicht gelungen, die Verlustzone zu verlassen, obwohl sie mit gut gefüllten Flugzeugen unterwegs sind. Die Situation könnte sich noch verschärfen, wenn der Nachholeffekt nach zwei Jahren pandemiebedingter Reisepause abebbt und zudem die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten voll bei den Verbrauchern angekommen sind. Dann wird manch einer einmal mehr überlegen, ob es für den Familienurlaub wirklich eine Flugreise sein muss – zumal bei den aktuell abgerufenen Ticketpreisen.

Den Abschied von den Supergünstig-Preisen gleich mit einem Abgesang auf die Billigfliegerei zu verknüpfen, wäre aber falsch. Denn das Geschäftsmodell der Low-Cost-Carrier besticht nach wie vor mit vielen (Kosten-)Vorteilen. Gerade auf der Kurz- und Mittelstrecke sind die Punkt-zu-Punkt-Verkehre, auf denen das Geschäftsmodell von Ryanair und Co. basiert, unschlagbar günstig. Zudem können die Unternehmen schneller reagieren, wenn sich eine Verbindung als unrentabel erweist. Streckenstreichungen fallen leichter, wenn nicht komplizierte Netzwerk-Zusammenhänge beachtet werden müssen. Nicht umsonst haben viele alteingesessene Airlines längst eigene Punkt-zu-Punkt-Ableger gegründet, die Lufthansa etwa Eurowings. In einem Konzern mit komplexen Strukturen können die Vorteile allerdings in der Regel nicht im gleichen Maße ausgeschöpft werden wie bei den von Anbeginn an schlank aufgestellten Billigfluglinien.

Unterm Strich werden die günstigsten Tickets zwar teurer, aber der Tarif steigt auch in allen anderen Preisklassen, so dass die Differenz mehr oder weniger gleich geblieben ist. Wer sich Flugreisen trotz Inflation und höherer Ausgaben für andere Bereiche des täglichen Lebens noch leisten kann, wird bei den Low-Cost-Firmen weiterhin günstiger bedient. Die Preissensibilität dürfte angesichts der Entwicklung bei den Lebenshaltungskosten sogar noch zunehmen, das spielt Ryanair, Wizz Air oder Easyjet in die Hände.

Indes dürfte das Ende der Fahnenstange bei den Ticketpreisen noch längst nicht erreicht sein. Zwar sind zuletzt in den USA, die in der Branche oftmals Frühindikator für die künftige Entwicklung in anderen Regionen sind, die Ticketpreise wieder gesunken. Das hängt mit der für den Herbst prognostizierten geringeren Nachfrage zusammen. Mittel- und langfristig dürfte sich die Preisspirale aber weiter nach oben drehen. Denn zumindest auf die europäischen Unternehmen kommt der zusätzliche Aufwand für die geplanten EU-Maßnahmen zum Umweltschutz zu. Unter anderem wird die Beimischungsquote für nachhaltiges Flugbenzin nach und nach deutlich ausgeweitet, diese Art von Fuel ist aber derzeit noch um ein Vielfaches teurer als fossiles Kerosin. Die höheren Kosten kommen zwar auf alle Airlines zu, allerdings sind die Low-Cost-Carrier oft mit neueren, verbrauchsärmeren Flugzeugen unterwegs.

Ein Wort noch zur Abkehr Ryanairs von den Supergünstig-Preisen. Wie immer bei den Iren und ihrem Chef lohnt sich ein Blick auf die Details. Die Tickets am unteren Ende der Preisspanne, die nun beerdigt werden, machen nur einen Bruchteil der verkauften Flüge aus, dienen mehr dem Marketing als der Generierung von Erlösen. Überhaupt stammt ein immer größerer Anteil des Umsatzes von Low-Cost-Carriern aus Zusatzerlösen, etwa für Gepäck oder Platzwahl, so dass die Bedeutung der Ticketpreise zumindest in diesem Segment abgenommen hat.

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