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Schlussstrich in Brüssel

Das Brüsseler Audi-Werk leidet unter Auftragsschwund und produziert zu teuer. Jetzt folgt die notwendige Konsequenz.

Schlussstrich in Brüssel

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Schlussstrich in Brüssel

Von Carsten Steevens

Fabrik der Zukunft? Das Audi-Werk in Belgien ist zu teuer. Jetzt folgt die notwendige Konsequenz.

Im Herbst 2021 fuhr im Werk Brüssel das achtmillionste Fahrzeug vom Band, ein Audi e-tron in der Farbe Gletscherweiß Metallic. Für den Ingolstädter Autobauer mit den vier Ringen, seit 2007 Eigentümer des 1949 gegründeten Standorts, Anlass für einen Festakt. Vorstandschef Markus Duesmann habe sich „begeistert vom Standort“ gezeigt: Das ließ die Volkswagen-Premiummarke in einer Mitteilung wissen, verbunden mit dem Hinweis, dass das Werk erst ein Jahr zuvor als „Factory of the Future“ ausgezeichnet worden sei.

Zeiten können sich schnell ändern. An der Audi-Spitze steht mit Gernot Döllner inzwischen der vierte Vorstandsvorsitzende in sechs Jahren. Und vom „Werk der Zukunft“ wird auch niemand mehr sprechen wollen, der damit die Brüsseler Fabrik des BMW- und Mercedes-Konkurrenten meint. Keine drei Jahre nach der besagten Feier stehen die Zeichen für das mehrfach prämierte Werk, das Audi damals noch als Vorreiter bei Elektromobilität und Nachhaltigkeit rühmte, auf Abbruch. Der Grund: Der Audi Q8 e-tron, ein Elektro-SUV der Oberklasse, verkauft sich immer schlechter. Vergleichsweise hohe Fertigungskosten könnten in Kürze zu einem vorgezogenen Produktionsende der Modellreihe führen.

Zu teuer

Dafür wird ein Restrukturierungsaufwand im Milliardenumfang fällig, der den Audi-Mutterkonzern zu einer Korrektur der Ergebnisprognose für 2024 zwingt. Volkswagen zieht nun mit dem absehbaren Schlussstrich in Brüssel eine notwendige Konsequenz. Im Zukunftssegment Elektromobilität geht es um Wettbewerbsfähigkeit. Während die Konkurrenz aus China nach Europa drängt und forsche Herausforderer wie BYD dem europäisch-chinesischen Zollstreit mit Fabrikbauten in europäischen Niedriglohnregionen begegnen, bieten sich bei schwindendem Auftragseingang am teuren belgischen Standort keine aussichtsreichen Bedingungen mehr.

Hinzu kommt, dass Audi mit einer operativen Umsatzrendite von zuletzt 3,4% zu den Großbaustellen im VW-Mehrmarkenkonzern gehört. Lieferengpässe bei V6- und V8-Motoren etwa trugen in den vergangenen Jahren zur Margenerosion bei. Zum großen Ärgernis wurden im Wettbewerb indes vor allem die erheblichen Verspätungen bei der Markteinführung neuer Modelle. Nun geht es mit einigen Produktanläufen um die dringend notwendige Verjüngung des Modellangebots. Zugleich müssen Maßnahmen zur Ergebnissteigerung umgesetzt werden, um Mittel für den weiteren Umbau zum Premium-Elektrofahrzeugbauer einzuspielen. Das Aus für die Produktion in einem Werk, das keine Zukunft mehr hat, ist hierbei nur ein kleiner Schritt.

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