Börsengänge

Schnell und virtuell

So viele und so schwere Börsengänge wie in diesem Januar hat es noch niemals zuvor im Auftaktmonat des Jahres gegeben. Fünf IPOs wurden in diesem Monat allein an den europäischen Börsen gepreist und brachten in Summe mehr als 6 Mrd. Euro ein. Zum...

Schnell und virtuell

So viele und so schwere Börsengänge wie in diesem Januar hat es noch niemals zuvor im Auftaktmonat des Jahres gegeben. Fünf IPOs wurden in diesem Monat allein an den europäischen Börsen gepreist und brachten in Summe mehr als 6 Mrd. Euro ein. Zum Vergleich: In den vergangenen fünf Jahren gab es im Januar selten einen Börsengang, und die Erlöse in diesem Monat entsprechen der Summe der vorangegangenen 17 Januare zusammen.

Die Nullzins-Geldpolitik und die staatlichen Hilfsprogramme sorgen dafür, dass Liquidität in Hülle und Fülle zur Verfügung steht. Neben dem Rückstau von IPOs, die im vergangenen Jahr verschoben wurden, gibt es immer mehr Börsengänge, die wegen der Erfolge der laufenden Transaktionen diesseits und jenseits des Atlantiks eilig vorgezogen werden. Zugleich hat sich durch den Lockdown die Zeitspanne zwischen der Ankündigung („Intention to Float“) und der Preisfestsetzung durch die Virtualisierung der Roadshows und des Bookbuilding halbiert – auf gerade einmal zwei Wochen.

Die Kombination aus kurzen Zeitplänen und guten Marktbedingungen hat zu einer beispiellosen Emissionstätigkeit geführt. Das Zeitfenster soll schnell genutzt werden, und es wird schnell genutzt – bevor es sich wieder schließt, weil die Investoren Angst vor der eigenen Bewertungscourage bekommen. Noch ist es nicht so schlimm wie zu Dotcom-Zeiten. Immerhin existieren die heutigen IPO-Kandidaten schon einige Jahre und sind nicht gerade erst gegründet worden. Auch bieten die an die Börse strebenden Internet-Firmen anstatt bloßer Klickzahlen immerhin echten Umsatz.

Aber die Bewertungen von Lockdown-Gewinnern wie dem Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1, die praktisch noch keinen Gewinn machen, sind mit dem Mehrfachen ihrer Erlöse schon sehr ehrgeizig. Die Investoren schauen stärker als früher auf die Größe des Marktes, den ein Unternehmen adressiert. Und sie sind eher bereit, für Umsatzwachstum hohe Preise zu zahlen, als für operative Marge.

Schon im vergangenen Jahr hatten die Veränderungen damit begonnen, dass die Roadshows vollständig virtuell durchgezogen wurden und sich die Zeitpläne auf zwei Wochen verdichteten. Das hat das Marktrisiko halbiert. Als weitere Neuerung hat sich jetzt die Funktion der Ankerinvestoren verändert. Bisher kamen die „Cornerstones“ zum Einsatz, um das Absatzrisiko zu mindern. Inzwischen werden sie offensiv eingesetzt, um das Vertrauen zu stärken und den Preis zu treiben – wie bei Auto1 der bekannte US-Wagniskapitalfonds Sequoia Capital.

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