KommentarStabilitätspakt

Schulden und Sühne

Die EU diskutiert kontrovers darüber, wie die Schuldenregeln angepasst werden müssen, um höhere Rüstungsausgaben zu ermöglichen. Investoren haben ihren ganz eigenen Standpunkt dazu.

Schulden und Sühne

Angesichts der riesigen Summen, die wegen höherer Rüstungsausgaben im Raum stehen, diskutiert Europa über eine mögliche Anpassung des Stabilitätspakts. Spötter werden sagen: Ist doch egal, der Pakt wird ja eh kaum eingehalten. Investoren sind da anderer Ansicht. Denn egal, ob Kriterien punktgenau erfüllt werden oder nicht: Die haushaltspolitische Überwachung und der Pakt haben durchaus disziplinierende Wirkung. Die Schuldenquoten in Euroland liegen spürbar niedriger als in den USA oder Japan.

Die Bereitschaft der EU-Regierungen und der EU-Kommission, den gerade erst generalüberholten Pakt schon wieder umzukrempeln, ist überschaubar. Vorbehalte gibt es zudem seitens der EU-Staaten im Norden, sich auf sehr langfristige Ausweichklauseln für Rüstungsausgaben einzulassen. Zumal, wenn diese Ausnahmen sich nicht eng auf Positionen beschränken, die eindeutig Verteidigungsbudgets zuzurechnen sind.

Eine Entkernung des Stabilitätspakts durch zeitlich unbeschränkte und sachlich beliebige Ausnahmen stoßen auch Anleiheinvestoren auf. Die EU-Staaten müssen fürchten, sie als stete Käufer ihrer Schuldtitel zu verlieren. Schließlich hätten diese Kapitalgeber gute Gründe, unter einem gelockerten EU-Fiskalregime auf höhere Renditen und ausgeweitete Spreads zu spekulieren − ein Alptraum für die Finanzstabilität.

Europas Finanzminister sind daher gut beraten, der EU-Kommission zu folgen: Die temporäre Aktivierung nationaler Ausweichklauseln eröffnet die Chance, sich die Zeit zu kaufen, um die schnell steigenden Rüstungsausgaben an anderer Stelle zu kompensieren. An anderer Stelle heißt vor allem: durch anziehendes Wachstum.

In anderen Worten: Wer kräftig Schulden macht, muss im Gegenzug Ausgleich schaffen und sühnen, indem er weniger Wohltaten verschenkt. Das heißt, indem er Staatsausgaben stärker investiv und weniger konsumtiv aufstellt. Wenn das der Fall ist, werden Kapitalgeber gewiss tolerieren, dass Schuldenquoten zunächst einmal einige Zeit über 60% hinaus klettern. Zweifel an der Schuldentragfähigkeit beginnen ohnehin frühestens nördlich der 100%.

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Von Detlef Fechtner
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