Tourismus

Schuldenberge bremsen Revival der Kreuzfahrten

Am kommenden Pfingstwochenende wollen die „Aidasol“ der Carnival-Marke Aida Cruises und die „Mein Schiff 1“ von Tui Cruises, dem Joint Venture des Touristikkonzerns Tui und der Kreuzfahrtreederei Royal Caribbean, von Kiel aus zu Kurzreisen auf der...

Schuldenberge bremsen Revival der Kreuzfahrten

Von Carsten Steevens, Hamburg

Am kommenden Pfingstwochenende wollen die „Aidasol“ der Carnival-Marke Aida Cruises und die „Mein Schiff 1“ von Tui Cruises, dem Joint Venture des Touristikkonzerns Tui und der Kreuzfahrtreederei Royal Caribbean, von Kiel aus zu Kurzreisen auf der Ostsee aufbrechen. Gelockerte Einschränkungen machen den neuen Anlauf zur Belebung des durch die Covid-19-Pandemie abrupt zum Erliegen gekommenen Milliardengeschäfts möglich. Vorerst aber nur in Teilmärkten Europas. In dem für die Kreuzfahrt bedeutenden US-amerikanischen Kernmarkt scheint nach mehreren Verschiebungen des Neustarts aufgrund hoher behördlicher Auflagen eine Wiederinbetriebnahme der schwimmenden Hotels infolge von Impffortschritten und verbesserter Test- und Hygienekonzepte frühestens im zweiten Halbjahr 2021 möglich zu werden – und auch dort nur in Teilmärkten.

Für die krisengeschüttelte Branche wäre ein baldiger Neustart eminent wichtig. Die großen Kreuzfahrtreedereien fahren seit gut einem Jahr hohe Verluste ein und häufen Schulden an. Liquidität fließt ab. Die monatlich durchschnittliche „Cash Burn“-Rate des börsennotierten Branchenführers Carnival etwa belief sich im ersten Quartal 2021 auf 500 Mill. Dollar, beim zweitgrößten Kreuzfahrtkonzern Royal Caribbean auf 300 Mill. Dollar.

Dem Umsatzeinbruch sind die Unternehmen mit einer Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung von Betriebskosten und Ausgaben, zur Verbesserung ihres Fälligkeitenprofils und zur Sicherung von zusätzlichem Kapital begegnet. Zur Unterstützung ihrer eigenen Kapitalmaßnahmen wurden ihnen im Zuge von Initiativen einzelner Regierungen und deren staatlicher Exportkreditversicherer von Bankenkonsortien Stundungen gewährt. Branchenbeobachter sehen darin eine maßgebliche Hilfe zum Überstehen der Krise – nicht nur für die internationalen Reeder, sondern vor allem auch für die im hohen Maße vom Kreuzfahrtschiffbau abhängigen Werften.

Anleger glauben offenbar an eine Fortsetzung des Ende 2019 gestoppten weltweiten Kreuzfahrt-Booms. An der Börse haben die Kurse der Reedereien in den vergangenen Monaten zugelegt. Die KfW Ipex-Bank, einer der führenden Finanzierer von Kreuzfahrtschiffen, erklärt die Zuversicht damit, dass die mittelfristige Nachfrage nach Reisen und speziell nach Kreuzfahrten intakt scheine. Der Buchungsvorlauf bei den Reedereien für 2022 sei gut. Reedereien hätten die Ablieferungen von Neubauvorhaben lediglich verschoben, aber nicht storniert. Kosten- und Kapazitätsanpassungen seien stattdessen unter anderem durch Vorziehen ohnehin geplanter Ausflottungen älterer Kreuzfahrtschiffe vorgenommen worden, die nach dem Ende der Krise durch modernere und umweltfreundlichere Neubauten ersetzt würden.

Dass die Branche bald an das Wachstum bis 2019 anknüpfen kann, erscheint aber fraglich – selbst wenn Kreuzfahrten schneller zurück am Markt sein sollten als andere Bereiche der Reisewirtschaft. „Wir sehen durch die Pandemie und den Cash Burn bei unseren Kunden auch in den kommenden Jahren eine deutlich verringerte Nachfrage nach neuen Kreuzfahrtschiffen“, erklärt die Papenburger Meyer-Werft, weltweit führender Kreuzfahrtschiffbauer. Das Geld, das nun in den Schuldenabbau fließe, könne nicht mehr für Neubestellungen genutzt werden.

Das Familienunternehmen, das 2020 den größten Verlust seiner Geschichte verbuchte und ein milliardenschweres Sparprogramm umsetzen will, geht von einer 40-prozentigen Reduzierung der Arbeitsleistung in den kommenden Jahren am Standort Papenburg aus. Die deutlich verringerte Auslastung infolge der Pandemie führte dazu, das Auftragsbuch bis 2025 zu strecken und Aufträge über zwei weitere Jahre zu verteilen. Dadurch habe man bereits 2020 nur zwei statt drei Kreuzfahrtschiffe ausgeliefert, zugleich aber Stornierungen von Schiffsbestellungen verhindert. Mit der japanischen Reederei NYK hat die Werft Ende März nach eigenen Angaben den weltweit ersten Neubauauftrag für ein Kreuzfahrtschiff seit Beginn der Pandemie vereinbart.

Konkrete Prognosen zum erwarteten Passagieraufkommen in diesem Jahr gibt es nicht, 2021 wird als Übergangsjahr angesehen. Der weltweite Branchenverband CLIA, der Ende 2019 für das vergangene Jahr noch eine Steigerung auf rund 32 Millionen Reisende in Aussicht gestellt hatte, begrüßt, dass ab Pfingsten wieder erste Kreuzfahrten ab Kiel stattfinden könnten. Ein baldiger Wiederanlauf der Kreuzfahrten sei essenziell, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sichern. In Deutschland steht die Industrie demnach für jährlich 6,6 Mrd. Euro Wertschöpfung und rund 48000 Jobs.