Kommunikationskultur

Sorry seems to be the hardest word

Immer öfter entschuldigen sich Manager für unglückliche Äußerungen, danebengegangene Tweets oder wenn Videos unangemessenes Verhalten von Mitarbeitern offenbaren. Gleichzeitig gibt es immer wieder Fälle, in denen eine Entschuldigung ausbleibt,...

Sorry seems to be the hardest word

Immer öfter entschuldigen sich Manager für unglückliche Äußerungen, danebengegangene Tweets oder wenn Videos unangemessenes Verhalten von Mitarbeitern offenbaren. Gleichzeitig gibt es immer wieder Fälle, in denen eine Entschuldigung ausbleibt, obwohl sie im Sinne einer wirkungsvollen Kommunikation in Krisensituationen angebracht und zielführend wäre.

In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche Patzer in Wirtschaft, Politik und Sport zu beobachten. Auch wenn sich die Berichterstattung häufig auf den Fehltritt selbst beschränkt – die Art und Weise, wie mit einem Fehler umgegangen wird, ist meist viel spannender und auch wichtig für die Frage, ob die Reputation dauerhaft Schaden nimmt.

Der unrühmliche Abgang von DFB-Präsident Fritz Keller war dabei sicherlich ein Höhepunkt, der noch in Erinnerung ist. Wenn sich aber Fußball-Funktionäre wochenlang nur noch beschimpfen, der größte Sportverband der Welt gar im Strudel unterzugehen droht, dann ist der Begriff Eigentor nicht mehr ausreichend. Eine Entschuldigung Kellers nach der Beleidigung seines Stellvertreters folgte zwar, doch diese verlor schon dadurch sofort an Bedeutung, da sie von seinem Vize Rainer Koch – offenbar ganz bewusst – nicht angenommen worden ist.

Die Politik liefert Beispiele für Entschuldigungen ohne Wenn und Aber. Sie zeigt allerdings auch, wie eine Entschuldigung kreativ umgangen werden kann, wenn der Tübinger Oberbürgermeister nach einer als rassistisch gerügten, vermeintlich satirischen Äußerung versuchte, mit der Bewertung des eigenen Verhaltens als „misslungen“ um eine Entschuldigung herumzukommen.

Wie man sich für Fehlverhalten sauber entschuldigen kann, hat Aldi Nord kürzlich gezeigt. In einer Berliner Filiale wurde ein Mann deutsch-ghanaischer Herkunft von Kunden mit rassistischen Aussagen beleidigt und provoziert. Als es daraufhin zu einem Wortgefecht gekommen ist, fanden es Kunden und Mitarbeiter der Aldi-Filiale angebracht, den Mann zu umringen, ihn körperlich anzugreifen und ihn sogar mit einem Karton zu bewerfen. Das Unternehmen hat den attackierten Mann, der sich nichts vorzuwerfen hatte, persönlich um Entschuldigung gebeten, den Filialleiter sofort entlassen und die konsequente Aufarbeitung dieses Vorfalls betrieben.

Wie man sich angemessen entschuldigt, weiß auch Tina Müller, Geschäftsführerin der Parfümerie- und Kosmetikkette Douglas. Sie versuchte im vergangenen Jahr, ihr Unternehmen als Drogeriekette zu etikettieren, um Kundinnen und Kunden auch während des Corona-Lockdowns weiterhin auf die Verkaufsfläche zu bringen und im Unterschied zu mancher Konkurrenz die Kassen füllen zu können. Anstelle mit Vollgas diese unternehmerische Entscheidung durchzuboxen, schaltete sie zurück, entschuldigte sich via Twitter und bekam die Kurve. Zuvor hatte schon der Sportartikelhersteller Adidas rasch den Rückzug angetreten, nachdem er zu Beginn der Corona-Pandemie Mietzahlungen aussetzen wollte.

Noch mal zurück zum Fußball: Für eine sehr spezielle Form der Entschuldigung sorgte ausgerechnet Greenpeace vergangenen Dienstag beim deutschen Auftaktspiel in der Fußball-Europameisterschaft: Die NGO schickte einen bemannten Motorschirm über die Münchner Allianz Arena, um gegen den EM-Sponsor VW zu protestieren. Die Aktion missglückte – und Greenpeace entschuldigte sich, aber nur dafür, dass die Aktion anders geplant gewesen sei, nämlich ohne dass Verletzte ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Eine richtige Entschuldigung sieht anders aus, denn die Organisation hatte nicht bedacht, dass bei einer solchen Aktion ziemlich viel schiefgehen kann, und damit in Kauf genommen, Spieler, Fans und den Piloten in Gefahr zu bringen. Prompt hagelte es Proteste.

Eine Entschuldigung per se ist kein Allheilmittel, denn sie kann nicht auslöschen, was passiert ist. Dennoch ist sie ein Zeichen wahrer Größe, eigenes Fehlverhalten anzuerkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Wird eine Entschuldigung zudem schnell, persönlich und aus eigenen Stücken und vor allem vollumfänglich vorgebracht, gibt es wenigstens die Chance, ohne langfristige Vertrauenseinbußen, Umsatzeinbußen und Gesichtsverlust aus der Sache herauszukommen.

Das eigene Ego als Hürde

Allerdings gibt es eine Hürde, die einer glaubwürdigen Entschuldigung oftmals im Wege steht: Das eigene Ego. „Sorry seems to be the hardest word“ – das sang Elton John schon vor Jahren. Für viele Menschen ist die Entschuldigung ein Eingeständnis der Schwäche, schließlich gibt man in aller Öffentlichkeit zu, einen Fehler begangen zu haben. Um sich diese vermeintliche Schmach zu ersparen, gibt es wahnwitzige Strategien, etwa einen anderen Schuldigen suchen, zu versuchen die Sache auszusitzen oder Wortgirlanden zur Erklärung eines Fehlers zu kreieren – was in der Regel auf eine Verschlimmbesserung hinausläuft. Eine Entschuldigung derart zu verweigern hat nichts mit Selbstbewusstsein oder Willensstärke zu tun. Es ist der Versuch, das eigene Ego zu beschützen, ohne zu merken, dass man Gefahr läuft, sich ins Abseits zu befördern.

Erst wenn das eigene Ego auf die Ersatzbank geschickt worden ist, bietet sich die Chance, Einsicht zu zeigen und sich glaubhaft zu entschuldigen. Es ist nicht gesagt, dass eine Entschuldigung genügt, um Dinge zu heilen. Zumal man „eigentlich“ um Entschuldigung nur bitten kann, in der Hoffnung, dass die andere Seite diese annimmt. Um Entschuldigung bitten zu können ist aber eine Haltung, die man im Zusammenleben beherrschen und nach Fehlern anwenden sollte. Mit ihr macht sich niemand kleiner, sondern zeigt Größe. Auch wenn’s schwer fällt. Denn: Sorry seems to be the hardest word.

Dirk Metz war Staatssekretär und Sprecher der hessischen Landesregierung. Heute ist er Geschäftsführer einer Kommunikationsberatungsagentur in Frankfurt.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.