Spaniens Konzerne stärken ihren CEOs den Rücken
Spaniens Konzerne stärken ihren CEOs den Rücken
Stück für Stück verabschieden sich die Unternehmen des Ibex 35 vom traditionellen Modell eines Executive Chairman, vor allem auf Druck von Investoren und Aufsehern
Thilo Schäfer, Madrid
Ana Botín (Santander), Marta Ortega (Inditex) und Francisco Reynés (Naturgy, v.l.n.r.) sind Vorsitzende mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen.
Die Jobbezeichnungen und genauen Zuständigkeiten bei spanischen Unternehmen geben Anlegern, Analysten und Wirtschaftsjournalisten aus dem Ausland oft Rätsel auf. Der presidente oder die presidenta führt den Verwaltungsrat, mischt sehr häufig aber auch im operativen Geschäft mit. Und was genau ist die Rolle des „consejero delegado“? Ein Posten, der bei manchen Konzernen mit Chief Executive Officer (CEO), bei anderen mit Chief Operating Officer (COO) übersetzt wird.
Spanien hat traditionell ein sehr eigenes Modell der Unternehmensführung, bei dem der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums, des consejo de administración, in Personalunion auch als Vorstandschef agiert, im Sinne eines „Executive Chairman“. Doch diese Aufteilung wird zunehmend hinterfragt, wegen der hohen Machtkonzentration und der daraus folgenden Mängel bei der Kontrolle. Aktionäre, vor allem internationale Fonds, machen ebenso Druck auf die spanischen Unternehmen wie etwa die Europäische Zentralbank, die OECD oder die EU-Kommission.
Konzernführung verändert sich
Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren einiges verändert bei der Konzernführung im Ibex 35. Die frühere Sparkasse Unicaja beschloss im Juli die Trennung zwischen einem reinen Verwaltungsratschef und einem CEO mit vollen Kompetenzen. Damit haben nun 18 Konzerne des Schwergewichtsindex der Madrider Börse einen Non-Executive Chairman, gegenüber 17 Firmen, die am traditionellen Modell festhalten. Allerdings gibt es dabei eine Menge Nuancen zu beachten.
Eines der Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit ist Inditex. Pablo Isla war 17 Jahre an der Spitze des größten Modekonzerns der Welt, zunächst als CEO und seit 2011 als Executive Chairman, als er 2022 zurücktrat. Das Unternehmen nutzte die Personalie für eine Strukturänderung.
Marta Ortega, die Tochter von Amancio Ortega, dem Firmengründer und mit 60% der Anteile immer noch Hauptaktionär von Inditex, wurde zur Vorsitzenden gemacht. Der neue CEO, Óscar García Maceiras, führt jedoch die Geschäfte. Die „presidenta“ behält allerdings einige nicht unwichtige Kompetenzen beim Betreiber der Zara-Kette, wie die interne Rechnungsprüfung und die Unternehmenskommunikation.
Santander passt Struktur an
Bei Santander schaltete und waltete in früheren Jahren der langjährige Vorsitzende Emilio Botín nach Lust und Laune. Seine Tochter Ana Botín, die nach dem plötzlichen Tod des Patriarchen 2014 den Chefposten bei Spaniens größter Bank übernahm, hat seitdem Kompetenzen an die Figur des CEO abgetreten, zuletzt 2022. Der CEO berichtet nun direkt an den Verwaltungsrat und ist nicht mehr der Vorsitzenden unterstellt.
Damit entspreche man den Anforderungen der EZB, erklärte Santander. Das Kreditinstitut hat außerdem die Zahl der unabhängigen Verwaltungsratsmitglieder deutlich erhöht, wie viele andere spanische Unternehmen auch.
Der heimische Mitbewerber BBVA stärkte ebenfalls die Rolle des CEO, Onur Genç. Doch haben Botín und ihr Kollege Carlos Torres Vila weiterhin viel Macht über die Strategie und das Geschäft der beiden Banken. Bei Caixabank ging die Entwicklung dagegen in die andere Richtung. Nach der Übernahme von Bankia 2021 wurde Gonzalo Gortázar als CEO bestätigt. Der Vorsitzende von Bankia, José Ignacio Goirigolzarri, übernahm diesen Posten auch bei dem fusionierten Geldhaus, allerdings mit exekutiven Funktionen, die sein Vorgänger bei Caixabank, Jordi Gual, nicht hatte.
Kritik an Governance
Bei der Hotelkette Meliá aus Mallorca trat der Firmengründer Gabriel Escarrer Juliá im Juni vom Vorsitz zurück. Den übernahm sein Sohn und CEO Gabriel Escarrer Jaume in Personalunion. Insgesamt gibt es noch acht Ibex-Konzerne, bei denen der Vorsitzende ohne CEO waltet. Andere haben zwar einen CEO, doch hat dieser gegenüber dem presidente weniger zu sagen, etwa beim Baukonzern ACS, der von Florentino Pérez, auch Präsident von Real Madrid, geleitet wird, oder bei Telefónica, wo José María Álvarez-Pallete die Zügel in der Hand hat.
Das spanische Modell wird vor allem im Ausland wegen Problemen der Governance hinterfragt. Die heimischen Regulierer sind dagegen zweideutig. Die Börsenaufsichtsbehörde CNMV legt sich in ihrem „Kodex für die gute Unternehmensführung“ von 2020 bewusst nicht fest. Beide Modelle hätten ihre Vor- und Nachteile, steht dort. „Die Bündelung von Posten kann einem Unternehmen eine klarere Führung, sowohl intern als extern, geben sowie Kosten bei der Kommunikation und Koordination reduzieren. Aber das darf nicht über den bedeutendsten Nachteil dieser Lösung hinwegtäuschen, nämlich die Konzentration von viel Macht bei einer Person“, kommentieren die Marktaufseher.
Da es international auch kein einheitliches Modell der Corporate Governance gebe und „empirische Daten fehlen“, wolle man sich aber nicht zugunsten der einen oder der anderen Form der Konzernführung aussprechen.
Korrekturmaßnahmen
Allerdings verlangt die CNMV im Falle eines Vorsitzenden mit exekutiven Funktionen die Einführung von „Korrekturmaßnahmen“. So bedarf es für die Wahl des Chefpostens einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsgremium. Ein unabhängiges Verwaltungsratsmitglied soll als Koordinator für die Belange der Aktionäre zuständig sein und die eventuelle Nachfolge regeln. Viele Ibex-Konzerne haben diese Vorgaben mittlerweile umgesetzt.
In der Finanzbranche ist die EZB skeptisch gegenüber dem spanischen Modell, nicht zuletzt wegen der Erfahrung mit mangelhaften internen Kontrollmechanismen, wie zuletzt beim Zusammenbruch von Credit Suisse. „Es stimmt, dass die Politik der Aufseher Richtung eines Non-Executive Chairman geht, der das Management kontrolliert“, erklärt Pablo Hernández de Cos, der Gouverneur der spanischen Notenbank, gegenüber der Börsen-Zeitung. „Aber das ist eine Diskussion zwischen den Mikroaufsehern und den Banken. Ich glaube nicht, dass die Regulierung geändert wird. Ich habe keinen Vorschlag in diesem Sinne gesehen“, so der Chef des Banco de España.
Ob mit oder ohne Druck von außen, die Unternehmen in Spanien scheinen sich zunehmend von der Figur des allmächtigen presidente del consejo zu verabschieden. Der Baukonzern Sacyr will 2025 wieder einen CEO einführen und die Aufgaben gegenüber dem Vorsitzenden trennen. Beim Energieriesen Naturgy hatten die Proxy Advisor ISS und Glass Lewis auf der letzten Hauptversammlung die Machtkonzentration des Vorsitzenden Francisco Reynés kritisiert. Das Unternehmen hatte daraufhin mit Ignacio Gutiérrez-Orrantia von Citigroup schon einen CEO auserwählt. Doch der sprang im letzten Moment ab, angeblich weil er mit der Aufgabenverteilung mit Reynés nicht einverstanden war, so wird gemunkelt. Jetzt sucht Naturgy weiter.