Mögliche Sanktionen

Swift-Ausschluss würde nicht bloß Russland hart treffen

Sollte Russland im Zuge von Sanktionen aus dem Zahlungsverbund Swift ausgeschlossen werden, würde sich das auch auf andere Staaten auswirken. Allerdings ist die russischen Zentralbank nicht untätig.

Swift-Ausschluss würde nicht bloß Russland hart treffen

Von Eduard Steiner, Moskau

Wie detailgenau Joe Biden bei seinem virtuellen Treffen mit Wladimir Putin Anfang vergangener Woche die möglichen Sanktionen des Westens als Antwort auf eine eventuelle militärische Invasion Russlands in der Ukraine dargelegt hat, ist nicht bekannt. Im Vorfeld hatte es dazu jedoch im US-TV-Sender CNN geheißen, dass Washington ein neues Sanktionspaket vorbereite, das extrem harte Schritte beinhalten könnte. Neben weiteren Verschärfungen bereits verhängter Restriktionen seien auch die bisher vermiedenen Sanktionen gegen russische Staatsschulden vorgesehen, ein Verbot des Dollar Clearing und der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehrsnetz Swift, das den gesicherten Nachrichten- und Zahlungsverkehr der angeschlossenen Firmen und Institutionen abwickelt. Im bilateralen Gespräch sei die „finanzielle Isolation Russlands“ angedroht worden, bestätigte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Wochenende immerhin.

Die Erwägung derart scharfer Maßnahmen ist nicht neu. De facto steht das Thema seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 im Raum. Durchgerungen dazu hat sich bislang freilich niemand. Und auch jetzt glaubt der Markt offenbar nicht wirklich daran. Denn sollte es tatsächlich dazu kommen, wäre das wie eine „Atombombe auf dem Finanzmarkt“, wie es in russischen Fachkreisen heißt. Aber auch die Vertreter der westlichen Wirtschaft haben zurecht panische Angst vor einem solchen Schritt. Ein Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift hätte „dramatische Auswirkungen“ auf die Wirtschaft, sagte etwa Oliver Hermes, der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, vor wenigen Tagen.

Beispiel Iran

Die möglichen Folgen lassen sich am Beispiel Iran erahnen, der nach dem von den USA erzwungenen Ausschluss aus Swift über Jahre hinweg wirtschaftlich in die Knie ging. Im Falle Russlands würde der Mangel an Importwaren die ohnehin bereits auf 8 % hochgeschnellte Inflation weiter explodieren und den seit 2014 massiv entwerteten Rubel weiter abstürzen lassen. Die Zentralbank müsste den Leitzins – wie schon 2014 – in den zweistelligen Bereich schrauben. Ausländische Investoren würden massenweise aus dem russischen Kapitalmarkt fliehen.

Russland seinerseits ist jedenfalls seit 2014 nicht untätig geblieben. Aus Vorsicht habe es sich in der Folge sukzessive „auf einen Wirtschaftskrieg vorzubereiten begonnen“, wie etwa Oleg Wjugin, Aufsichtsratschef der Moskauer Börse, der Börsen-Zeitung schon vor Jahren erklärte. Neben dem Verkauf von US-Staatsanleihen und allen in Dollar denominierten Anlagen wurde dafür das Aufstocken der internationalen Gold- und Währungsreserven forciert. Sie haben inzwischen historische Höchstwerte von über 620 Mrd. Dollar erreicht.

Parallel dazu entwickelte die russische Zentralbank unter dem Namen Financial Messaging Transfer System (SPFS) ein eigenes Zahlungsverkehrsnetz als einheimische Alternative zu Swift. Und einheimisch ist es in der Tat: Von den 332 Banken, Firmen und Organisationen, die sich bislang auf Druck der Zentralbank an SPFS angeschlossen haben, ist – abgesehen von den in Russland tätigen Auslandsbanken wie der österreichische Raiffeisen International oder der zur französischen Société Générale gehörende Rosbank – der Großteil russisch. Von einem Ersatz für Swift kann derweil nicht die Rede sein. Nach Angaben der russischen Zentralbank wurden bis Ende 2020 gerade einmal 20% des russischen Finanzverkehrs über SPFS abgewickelt, bis 2023 ist ein Anteil von 30% angepeilt. Immerhin ist die russische Alternative zu Swift, das von mehr als 11 000 Banken aus 220 Staaten genutzt wird, zumindest innerhalb Russlands erprobt: Bereits im Dezember 2017 führte der staatliche Ölkonzern Rosneft als erstes Unternehmen eine Finanztransaktion über SPFS durch.

Im internationalen Zahlungsverkehr steckt das System jedoch noch in Kinderschuhen. Und das, obwohl sich Russland unabhängig von möglichen Sanktionen um eine Emanzipation von westlichen Finanzinstrumenten bemüht. Mit China, Indien und dem Iran wurde eine Verbindung der Zahlungssysteme mit SPFS vor zwei Jahren zumindest angeleiert. Mit China wurde eine aktive Ausweitung der Nutzung von SPFS im bilateralen Handel im März dieses Jahres vereinbart.

Deutschland bei SPFS dabei

Alles in allem konnte Denis Baryschkow, der für das nationale Zahlungssystem zuständig ist, in der vergangenen Woche mitteilen, dass inzwischen alle Banken aus Belarus und darüber hinaus 38 Teilnehmer aus neun Ländern an SPFS angeschlossen sind. Mit dabei sind neben einigen GUS-Staaten auch die Türkei, Japan, Schweden, Deutschland, Schweiz und Frankreich.

Zum Ersatz für Swift im internationalen Geschäft ist noch ein weiter Weg. Denn Russland verwendet das Swift-System ausgiebig – und zwar für inländische und internationale Zahlungen. Um bei Letzteren das Ausmaß zu veranschaulichen: Russlands Außenhandelsvolumen betrug selbst im Pandemiejahr 2020 über 740 Mrd. Dollar, die Auslandsschulden der Unternehmen über 140 Milliarden.

Ein Swift-Ausschluss würde daher nicht nur Russland, sondern alle wirtschaftlichen Partner empfindlich treffen, wobei das im Westen wegen der importierten russischen Rohstoffe vor allem die EU-Staaten und weniger die USA betrifft. Experten erwarten, dass es mindestens drei Jahre dauert, bis SPFS das Swift-System ersetzen könnte. Die Kosten für Zahlungsflüsse zwischen Russland und dem Westen würden sich verdoppeln bis verdreifachen. Selbst ein Rückgriff auf das alte Telex könnte die Situation nicht retten, zumal sich europäische Länder im Falle von US-Sank­tionen wohl nicht darauf einlassen würden. Vor diesem Hintergrund ist wohl die kürzlich von dem CDU-Politiker Friedrich Merz getroffene Aussage zu verstehen, dass die Diskussion über den Swift-Ausschluss Russlands erst dann ansteht, wenn nichts anderes mehr geht.

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