Paris

Tankstellen sitzen auf dem Trockenen

Weil die Raffinerien von TotalEnergies bestreikt werden, wird Benzin an einigen Tankstellen knapp. Gegenwind gab es für den Ölriesen auch von Studenten der Elitehochschule Ecole Polytéchnique.

Tankstellen sitzen auf dem Trockenen

Es gibt keine einzige Tankstelle im Umkreis von 30 Kilometern, die noch Benzin hat“, berichtet eine Freundin aus der Nähe von Aix-en-Provence. „Ich habe heute morgen über eine Stunde angestanden, um tanken zu können“, erzählt eine andere Freundin, die in einem Vorort von Paris wohnt. „Was wirklich nervt, sind diese Leute, die nicht nur volltanken, sondern auch noch Kanister füllen“, ärgert sie sich. So wie den beiden erging es in den letzten Tagen unzähligen Franzosen. Denn in Frankreich sitzen inzwischen einige Tankstellen auf dem Trockenen.

Ursache ist ein Streik in den Raffinerien und Treibstoffdepots von Total Energies und Exxon, mit dem die Gewerkschaft CGT höhere Löhne durchsetzen will. Wegen des Streiks, der vor gut zwei Wochen begonnen hat, standen am Wochenende drei der sechs französischen Raffinerien still, zwei in der Normandie und eine in Fos-sur-Mer bei Marseille. Deshalb hatten am Samstag 20,7% der Tankstellen Probleme mit mindestens einem Produkt, sprich, bei ihnen war zumindest eine Kraftstoffart aus. Verstärkt wurde das Phänomen dadurch, dass Total Energies derzeit wie von der Regierung gefordert Preisnachlässe von 20 Cent pro Liter Benzin gewährt.

Der Ölriese, der im ersten Halbjahr ein Rekordergebnis von 10,6 Mrd. Dollar verbuchte, betreibt ein Drittel der Tankstellen in Frankreich. Viele Autofahrer steuern sie an, um von den Preisnachlässen zu profitieren. Inzwischen drängt die Regierung Total Energies, mit den Vertretern der CGT zu verhandeln. Die Gewerkschaft signalisierte am Wochenende Gesprächsbereitschaft. Sie ist inzwischen auch bereit, ihre Forderungen etwas herunterzuschrauben und sich mit weniger als der bisher geforderten Erhöhung der Löhne um 10% zufriedenzugeben. Die Inflation in Frankreich betrug zuletzt 5,6%.

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Protest gegen Pläne von Total Energies gab es auch von anderer Seite – ausgerechnet von Studenten der renommierten Ingenieurshochschule Polytechnique, in Frankreich kurz X genannt. Studenten, aber auch Professoren liefen mehrere Monate lang Sturm gegen das Vorhaben des Ölriesen, auf dem Campus der Kaderschmiede in Saclay bei Paris ein Forschungslabor zu errichten. Total Energies ließ das Projekt deshalb letztes Jahr fallen. Inzwischen hat die für Finanzangelegenheiten zuständige Einheit der Staatsanwaltschaft vorläufige Ermittlungen gegen Konzernchef Patrick Pouyanné eingeleitet. Sie will herausfinden, ob er seine Stellung als Mitglied des Verwaltungsrates der École Polytechnique ausgenutzt hat, um die Hochschule dazu zu bringen, dem Projekt zuzustimmen. Greenpeace, Anticor und ehemalige Studenten haben Klage gegen ihn eingereicht.

Die bekannte Hochschule muss nun entscheiden, ob Luxusgüterriese LVMH seinerseits anstelle von Total Energies ein Forschungslabor auf ihrem Campus errichten darf. Vor zehn Jahren noch hätte ein solches Projekt keine Probleme bereitet, urteilt die Tageszeitung „Le Monde“. Doch angesichts des Klimawandels, der Energiekrise, zunehmender Ungleichheiten und der Frage, welche Verantwortung Großkonzerne gegenüber der Gesellschaft tragen, hätten sich die Vorzeichen geändert. Inzwischen gibt es an Frankreichs Elitehochschulen wie der École Polytechnique eine neue Generation an Studenten und jungen Ehemaligen, die sich stärker für Umwelt- und Gesellschaftsthemen einsetzen als frühere Absolventen.

In einem Gastbeitrag haben sich 70 Studenten und Absolventen von X deshalb gegen den Bau eines Labors von LVMH auf dem Campus ausgesprochen. Der Luxusgüterkonzern will dort zu nachhaltigem und digitalem Luxus forschen. LVMH-Chef Bernard Arnault hat einst selbst an der École Polytechnique studiert. Sein Konzern lässt gerade für viel Geld den früheren Sitz der Vereinigung der Absolventen der Kaderschmiede renovieren. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Der Verwaltungsrat der École Polytechnique soll Ende Oktober entscheiden, ob LVMH den Zuschlag bekommt. Der Luxusgüterriese hat versprochen, dass in dem Labor, das 2024/25 eröffnet werden soll, auf Dauer 300 Forscher und andere Mitarbeiter beschäftigt werden sollen. (Börsen-Zeitung, 11.10.2022)

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