Unterm Strich

Traum und Trauma des Porsche-Piëch-Clans

Die Familien Porsche und Piëch verlieren die Freude an ihrer Rolle als VW-Mehrheitsaktionär: Wertverluste, schwindender Einfluss und wachsendes Risiko.

Traum und Trauma des Porsche-Piëch-Clans

Trinity heißt nicht nur die Elektromobilitätsoffensive des VW-Konzerns mit dem Bau eines komplett neuen Werkes für Elektroautos in Wolfsburg, Dreieinigkeit demonstrierten auch Aufsichtsratsvorsitzender Hans Dieter Pötsch, Vorstandschef Herbert Diess und Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo, als sie am Donnerstag vor den Medien einen neuen Burgfrieden verkündeten. Der publikumswirksame Showdown zwischen Vorstand und Betriebsrat mit anschließender Befriedung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden gehört bei Volkswagen inzwischen so zur Routine wie der Launch neuer Modelle. Er ist weder einer ausgeprägt streitfreudigen Mentalität des CEO noch einer notorisch uneinsichtigen Arbeitnehmervertretung oder gar einer aus der Zeit gefallenen Eigentümerfamilie zu verdanken, sondern der speziellen Governance im größten europäischen Automobilkonzern.

Kalkulierte Eskalation

Wer als Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen etwas bewegen will, sollte aus besonderem Holz geschnitzt sein. Denn er muss nicht nur wie in anderen großen Konzernen das gern auch als „Lähmschicht“ bezeichnete Mittelmanagement an­treiben und mitnehmen, sondern zudem die (Standort-)Interessen des übermächtigen Betriebsrats und dessen Dauer-Koalitionspartners namens Niedersachsen bedienen. Wenn zur Rolle als Diener dreier Herren noch eigene Ambitionen als Chef eines Weltautomobilkonzerns hinzukommen, wie bei Herbert Diess, dann wird es schwierig und Konflikte sind programmiert.

Der faktische Einfluss des Landes ist dank des VW-Gesetzes deutlich stärker, als die 20-Prozent-Beteiligung am Stammaktienkapital es erkennen lässt, und bestimmt Investitionspläne wie auch Standortentscheidungen. Im Aufsichtsrat haben das Land und die Arbeitnehmerbank zusammen die Mehrheit und konterkarieren damit die 53-Prozent-Mehrheit der Familienholding Porsche SE an den VW-Stammaktien. Der Einfluss der Familien Porsche und Piëch ist faktisch auf die Bestimmung von AR-Vorsitzendem und Vorstandsvorsitzendem beschränkt. Als „Agent“ des „Prinzipals“ und Mehrheitsaktionärs ist es Aufgabe von Diess, den Wert des VW-Konzerns zu mehren. Um VW wettbewerbsfähig zu halten und marktübliche Renditen auf das Kapital zu erwirtschaften, braucht es in der Auseinandersetzung mit dem mächtigen Betriebsrat regelmäßig die Provokation und kalkulierte Eskalation. Damit bietet VW zwar immer wieder ein Bild von Zerrissenheit und provoziert Reibungsverluste. Doch anders sind Fortschritte zu mehr Profitabilität nicht zu erzielen. Das wissen die Großaktionäre und stützen folglich Diess auch dann, wenn er in seiner Rolle als „Bad Guy“ mal übers Ziel hinausschießt und vom „Good Guy“ Pötsch wieder eingefangen werden muss.

Mittlerweile mehren sich Hinweise, dass die Familien Porsche und Piëch, zumal deren vierte Generation, dieses Spiels überdrüssig sind und vor allem für die Zeit vorsorgen müssen, wenn Hans Dieter Pötsch, ihr langjähriger Sachwalter und „ehrlicher Makler“ in den im System Volkswagen angelegten Interessenkonflikten, einmal nicht mehr im Amt ist. Die Verträge des 70-jährigen als Aufsichtsratsvorsitzender von VW wie auch als Vorstandsvorsitzender des Mehrheitsaktionärs Porsche Holding sind zwar in diesem Jahr noch einmal um fünf Jahre verlängert worden, doch gerade in Familienunternehmen gehen Planungen üblicherweise über Amtszeiten weit hinaus.

Klumpenrisiko VW

Für die Eigentümerfamilien ist die VW-Beteiligung ein Klumpenrisiko ganz besonderer Art. Seit dem Ausscheiden von Ferdinand Piëch aus Vorstand und Aufsichtsrat und dessen Tod vor zwei Jahren ist der Einfluss des Familienclans gesunken. Auf die Wertentwicklung ihrer Beteiligung haben der Minderheitsaktionär Niedersachsen und der Betriebsrat mehr Einfluss als sie selber. Insofern ist die Sehnsucht nach früheren Zeiten nachvollziehbar, als die Familien die Perle des VW-Konzerns, nämlich den Sportwagenhersteller Porsche, ihr Eigen nennen konnten. Mit Ferdinand Piëch als Clan-Chef und genialem Automanager hebelten einst die Familien den Wert des Sportwagenbauers so gekonnt, dass sie 2009 im Tausch für dieses Asset die Mehrheit am VW-Konzern erlangten. Die Voraussetzungen dafür hatte Wendelin Wiedeking geschaffen, der als Porsche-Chef den Börsenwert der Sportwagenschmiede von 300 Mill. auf 25 Mrd. Euro (2007) katapultierte.

Schon vor drei Jahren wurden Überlegungen aus dem Hause Porsche publik, wonach der Sportwagenhersteller an die Börse gebracht werden könnte (vgl. BZ vom 16.10.2018). Porsche wurde von Finanzanalysten ein Wert in Höhe des Börsenwertes des gesamten VW-Konzerns von damals 70 Mrd. Euro zugeschrieben. Während seinerzeit Wolfgang Porsche für die Familie IPO-Plänen noch eine Absage erteilte, scheint die nächste Generation der Porsches und Piëchs darüber neu nachzudenken. Denn der Wert von Porsche spiegelt sich nicht annähernd im aktuellen Börsenkurs des VW-Konzerns, der außerdem im laufenden Jahr aufgrund der strategischen Querelen stark unter die Räder kam. Finanzanalysten, die sich an der Börsenbewertung von Ferrari orientieren, taxierten den Wert von Porsche schon vor einem Jahr auf rund 160 Mrd. Euro und damit auf doppelt so viel wie die Mutter Volkswagen.

Abschlag an der Börse

Im Auseinanderdriften der Bewertungen liegt freilich auch das Problem für den direkten Zugriff auf Porsche. Selbst wenn sie ihre komplette VW-Beteiligung einsetzen wollten, bekämen sie dafür aktuell keine Mehrheit an Porsche. Denn der Zwölfmarkenkonzern VW wird aufgrund seiner Staatsbeteiligung, der Macht des Betriebsrats und seiner Governance-Defizite an der Börse mit einer Art Konglomeratsabschlag in dreistelliger Milliardenhöhe gehandelt. Die Rückkehr zu früheren Zeiten, als Porsche mehrheitlich den Familien Porsche und Piëch gehörte, wird vorerst Traum bleiben.

c.doering@boersen-zeitung.de

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