Notiert inWashington

Trump und der Kater nach der Wahl

In den politisch gespaltenen USA hat die Präsidentschaftswahl bei vielen Wählern ungewöhnlich großen Stress ausgelöst. Folglich haben Psychologen Hochkonjunktur.

Trump und der Kater nach der Wahl

Notiert in Washington

Von Peter De Thier

Der Kater nach der Wahl

Etwas mehr als eine Woche nach einer aufreibenden Wahlnacht kommen die Amerikaner allmählich wieder zur Ruhe. Anhänger der Demokratin Kamala Harris akzeptieren nun die nüchterne Erkenntnis, dass Donald Trump ein außergewöhnliches politisches Comeback feiern konnte und der 47. US-Präsident wird. Gleichwohl haben Psychologen und Beratungsfirmen Hochkonjunktur, die Unternehmen helfen wollen, den Stress im täglichen Leben, insbesondere am Arbeitsplatz, abzubauen.

Schließlich kann kein Zweifel bestehen: Trump hat die Nation gespalten wie kaum ein anderer Politiker in der US-Geschichte. Moralische, ethische und gesellschaftliche Differenzen schwappen auch in das tägliche Leben über. Sie können das Verhältnis zu Arbeitskollegen, zu Nachbarn, Freunden und selbst Verwandten belasten. 

„So extrem wie in diesem Jahr war das noch nie“, sagte mir vor wenigen Tagen unser Nachbar Tom, der seit dreißig Jahren als Lobbyist für die US-Luftfahrtindustrie tätig ist. „Ich kann die Dinge zwar voneinander trennen. Ich habe aber Kollegen, die früher zusammen Tennis spielten, anschließend ein paar Bierchen tranken, seit der Wahl aber kein Wort mehr miteinander reden.“ 

Ähnliches berichten Familien aus unserer überwiegend demokratisch wählenden Wahlheimat Reston, Virginia, einem Ostküsten-Drehkreuz der Tech-Industrie, etwa 25 Minuten außerhalb von Washington. „Mich schockierte es, als bei unseren direkten Nachbarn plötzlich zehn Tage vor der Wahl ein ‚Trump-Vance‘-Schild im Vorgarten stand!“, sagte ein Bekannter aus dem Tennis-Klub. „Ich will dem Typen gar nicht mehr in die Augen schauen.“  

Einige Medien sprechen von einem „post-election hangover“, also dem Kater nach der Wahl. Auch ergab eine Studie der American Psychological Association (APA), dass die Wahl bei 69% der US-Bürger „politischen Stress“ ausgelöst hat. Drei Viertel der Befragten befürchteten politische Gewalt und 56% das mögliche Ende der US-Demokratie.

Folglich sind Experten wie die Psychologin Dr. Delvene Thomas, die Gründerin der „Brain Love Foundation“, besonders gefragt. Sie meint, dass die Erholung vom „Kater“ mit „Liebe zum eigenen Hirn“ beginnt. „Dies bedeutet, dass sich jeder dem eigenen Seelenfrieden widmen und erkennen muss, dass er keine Energie damit verschwenden sollte, sich über Dinge aufzuregen, an denen er ohnehin nichts ändern kann.“ 

Die Psychologin Renee Schmidt bietet Unternehmen Hilfsprogramme für Mitarbeiter, sogenannte Employee Assistance Programs, an. Dazu zählen Therapien sowie psychologische und auch spirituelle Beratungsdienste. „Firmen müssen in Zeiten wie diesen am Arbeitsplatz politische Neutralität kultivieren“, betont Schmidt. „Mitarbeiter sollten ihre Emotionen ausdrücken dürfen, ohne negative Konsequenzen zu befürchten“, so die Expertin. Schließlich würde alles andere zu Lasten der Produktivität und der Arbeitsleistung gehen. 

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