Trumps Agenda im Zeichen von „Project 2025“
Trumps politische Agenda im Zeichen von „Project 2025“
Berater wollen Strafzölle, Massenausweisungen und uneingeschränkte Macht für den
47. US-Präsidenten. Ministerien sollen aufgelöst und der Beamtenapparat politisiert werden.
Von Peter De Thier, Washington
Dreieinhalb Wochen nach den US-Wahlen ist Donald Trumps Schattenkabinett so gut wie komplett. Umgeben wird sich der 47. US-Präsident mit einem Team aus Loyalisten und Ideologen, die bereit sind, im Dienste ihrer rechtsgerichteten Agenda den Rechtsstaat zu unterlaufen. Den 920 Seiten langen Fahrplan für Trumps zweite Amtszeit hat die konservative Stiftung „Heritage Foundation“ konzipiert. Deren umstrittenes „Project 2025“ zielt darauf ab, „den Schaden zu beheben, den die Linken angerichtet haben und nun ein besseres Land für alle Amerikaner zu schaffen“, heißt es. Trump distanziert sich von dem Projekt. Gleichwohl befinden sich unter seinen engsten Beratern Verfechter der umstrittenen Initiative.
Institutionalisierter Trumpismus
Heritage Foundation Präsident Kevin Roberts bringt es auf den Punkt: „Project 2025 ist nichts anderes als eine Institutionalisierung des Trumpismus“. Dazu zählen drakonische Maßnahmen, die einschneidende, gesamtwirtschaftliche Folgen haben würden, etwa die Abschaffung der US-Notenbank. Ersetzen wollen die Verantwortlichen hinter der Initiative die Fed aber nicht.
Privatbanken steuern Geldmenge
Deren Ziel ist es vielmehr, allein Privatbanken gesetzliche Zahlungsmittel drucken zu lassen. Sie würden somit nach streng marktwirtschaftlichen Prinzipien die Geldmenge und die Zinsentwicklung bestimmen, die staatlicher Kontrolle komplett entzogen würden. Das einschlägige Kapitel in dem 900 Seiten langen Werk schrieb der Nationalökonom Paul Winfree. Er war einer von Trumps Wirtschaftsberatern während seiner ersten Amtszeit und könnte auch jetzt wieder eine leitende Position bekommen.
Auflösen wollen die Anhänger der Initiative auch das Handelsministerium und die Verbraucherschutzbehörde CFPB. Ferner werden Einfuhrzölle als Alternative zur Einkommenssteuer angesehen. Der Ökonom Peter Navarro, der unter Trump Chef des White House National Trade Council war, will an Zöllen festhalten, bis konkrete „Defizitziele“ erreicht sind. Am Donnerstag ernannte dann Trump dann den Hardliner Kevin Hassett zum neuen Chef des National Economic Council (NEC). Hassett plädiert ebenfalls für die geplanten Einfuhrzölle.
Vorstoß geht deutlich weiter
Obwohl der Abbau von globalen Ungleichgewichten und die Festigung der US-Position als weltweit führende Wirtschaftsmacht wichtige Rollen spielen, geht der republikanische Vorstoß deutlich weiter. Project 2025 bedeutet nämlich auch, dass zehntausende von Bundesbediensteten künftig von konservativen Ideologen ersetzt werden sollen. Politisieren wollen die Autoren, von denen mehr als 400 zu Project 2025 beigetragen haben, ferner die Spitze des Justizministeriums. Das Justizressort will Trump nutzen, um seine Gegner strafrechtlich zu verfolgen. Unterdessen sind Bürgerrechtsorganisationen über einen Passus empört, der das Ministerium auffordert, gegen „anti-weißen Rassismus vorzugehen“.
Loyalität ist Trumpf
Auch in allen anderen Ressorts gilt es, rigide Loyalisten zu installieren. Im Pentagon, dem Militär, bei den Geheimdiensten, der Umweltschutzbehörde EPA und den staatlichen Gesundheitsinstituten. So zielt Project 2025 darauf ab, Umweltregeln abzuschaffen und fossile Energien zu fördern. Auch soll der Begriff des „Klimawandels“ aus allen staatlichen Dokumenten gestrichen werden. Ferner will die Bewegung ein bundesweites Abtreibungsverbot durchsetzen und das Gesundheitsministerium in das „Ministerium für Leben“ umbenennen. Dort soll jener Robert F. Kennedy Junior für das „Leben“ und die Gesundheit seiner Landsleute kämpfen, der während der Corona-Pandemie Impfungen abgelehnt hatte.
Nicht gerade zimperlich werden die Einwanderungsbehörden vorgehen. So soll der künftige „Grenz-Zar“ Thomas Homan in Zusammenarbeit mit der designierten Heimatschutzministerin Kristi Noem Massendeportationen unter Einsatz der Streitkräfte durchführen. Ferner sollen Hinrichtungen beschleunigt werden, um die Überbevölkerung in Gefängnissen zu bekämpfen. Auch würde Gleichberechtigung für Mitglieder der LGBTQ Gemeinde der Vergangenheit angehören. In anderen Worten: Alles, was die Demokraten und Präsident Joe Biden erreicht haben, soll Project 2025 zerstören.
Nicht gelesen
Zwar tut Trump so, als wäre ihm die Bedienungsanleitung für seine zweite Amtszeit fremd. Als Vizepräsidenten Kamala Harris während der Fernsehdebatte mit dem Republikaner darauf hinwies, dass viele Berater des früheren Präsidenten ganze Kapitel für das Werk verfasst haben, stellte er sich dumm: „Ich weiß nicht, was in Project 2025 steht, ich habe das nicht gelesen und werde es auch nicht lesen“, behauptete Trump. Tatsache ist aber, dass sein Schattenkabinett von Anhängern der Initiative geradezu wimmelt.
Miller ins Weiße Haus
So wird der Hardliner Stephen Miller Vize-Stabschef im Weißen Haus. Der Anhänger von Massenausweisungen schrieb ein Kapitel, in dem er für außenpolitischen Isolationismus plädiert. Er will US-Militärhilfe für die Ukraine einstellen und macht sich für einen Nato-Austritt stark, falls andere Mitglieder nicht kräftig den Geldhahn aufdrehen. Auch lieferte Trumps künftiger Haushaltschef Russell Vought ein Kapitel, in dem er meint, dass der Präsident uneingeschränkte Macht haben sollte und diese „aggressiv ausüben muss“.
Vought will die staatliche Bürokratie zusammenstreichen, Sozialprogramme kürzen und ganze Behörden abschaffen. Weitere Autoren sind Homan und Brendan Carr. Als Direktor der Federal Communications Commission (FCC) will Carr sicherstellen, dass staatliche Regeln, die es konservativen Medien verbieten, Falschnachrichten oder fingierte Videos zu verbreiten, aufgehoben werden.
Bürgerrechtler sind alarmiert
Kaum verwunderlich ist, dass Bürgerrechtler Alarm schlagen. „Es handelt sich um ein autoritäres Drehbuch, um die US-Demokratie zu entwurzeln und mit einem System zu ersetzen, das die meisten Amerikaner nicht wiedererkennen werden“, schimpft der liberale Think Tank Center for American Progress. Kritisch ist auch die Brookings Institution, die allerdings feststellt, dass sich der Durchmarsch des neuen Präsidenten schwieriger gestalten wird, als viele Republikaner glauben.
„Viele der Initiativen erfordern Kongressmehrheiten, einige sogar 60 Stimmen im Senat“, schreibt das Institut, und rechnet mit internem Widerstand. „Unter den Kürzungen, etwa im Bildungsbereich, werden ländliche Gegenden leiden, wo überwiegend Trump-Wähler leben“, stellt Brookings fest. Sobald republikanische Politiker das erkennen, würden sie Project 2025 ganz anders einschätzen.