Überschuss zu allem Überfluss
Notiert in Brüssel
Zu allem Überfluss ein Überschuss
Von Detlef Fechtner
Was hat Irland nicht alles getan, um die Rückzahlung von Apple an die irische Staatskasse zu verhindern. 2016 hat das Land sogar die EU-Kommission vor den EU-Gerichtshof gezerrt. Geholfen hat es bekanntlich nichts. Am 10. September 2024 haben Europas oberste Richter entschieden, dass die irische Regierung vom US-Konzern in Rückabwicklung zu großzügiger Steuerdeals 13 Mrd. Euro zurückfordern muss. Nicht darf. Nicht kann. Sondern muss!
In dieser Woche ist nun bekannt geworden, welchen Effekt die Steuerrückzahlung für Irlands Haushalt hat – und der ist nicht ohne! Irland meldet für 2024 einen Überschuss, der mit 12,8 Mrd. Euro mehr als siebenmal größer ausfällt als ohne die Apple-Milliarden. Übrigens: Für alle die Leser, die den Begriff „Haushaltsüberschuss“ nicht mehr kennen, weil es so etwas in Deutschland seit vier Jahren – und in Frankreich und Italien sogar seit den 1980er Jahren – nicht mehr gab: Haushaltsüberschuss ist so eine Art Defizit mit positivem Vorzeichen. Auch wenn es mancher nicht glauben mag: So etwas gibt es wirklich, sogar in der Eurozone.
Insel der Glückseligen
Nun ist Irland haushaltspolitisch sowieso eine Insel der Glückseligen. Die Schuldenquote sinkt in diesem Jahr unter 40% der Wirtschaftsleistung. Irland befindet sich damit endgültig wieder im Club der Niedrigschuldenstaaten Europas, zu denen vor allem Skandinavier und Balten zählen sowie Bulgarien. Am anderen Ende der Skala steht – noch – Griechenland. Aber Hellas ist auf bestem Wege, die rote Laterne abzugeben. Denn während der griechische Schuldenberg spürbar sinkt, kommt Italien mit dem Schuldenabbau nicht recht voran und dürfte wohl 2027 unfreiwillig zum Land mit der höchsten Schuldenquote in Europa avancieren. Frankreich könnte Italien wiederum diesen Rang in einigen Jahren streitig machen. Immerhin bringt Paris das Kunststück fertig, die bereits dreistellige Schulden-zu-BIP-Quote sogar noch weiter in die Höhe zu treiben.
Das notorisch klamme Belgien zählt dieses Jahr wieder zu den Top 5 in Europas Schuldenquoten-Hitparade. Bemerkenswerterweise hat es der westliche Nachbar Deutschlands immer mal wieder geschafft, Haushaltsüberschüsse zu erzielen oder zumindest neue Schulden kleinzuhalten – bemerkenswerterweise fielen die Defizite in Belgien in Jahren, in denen das Land keine Regierung hatte, recht niedrig aus. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Zuletzt aber lag das Minus beharrlich über dem Maastricht-Richtwert von 3%. Da stellt sich die Frage, ob es Zufall ist, dass in der Metro in Brüssel dieser Tage nach Schwarzfahrern gefahndet wird – oder ob dadurch die öffentlichen Kassen etwas aufgefüllt werden sollen. Anders als in Deutschlands S-Bahnen haben Fahrscheinkontrollen in der Metro von Europas Hauptstadt nämlich echten Seltenheitswert. Sie wirken übrigens auch viel bedrohlicher als hierzulande. Aber: Keine Angst, wenn Sie in Brüssel in der Metrostation von einem halben Dutzend grimmig dreinblickender Polizisten abgefangen werden. Die wollen nur Ihr Ticket sehen.