KommentarBürokratieabbau

Und sie bewegt sich doch

Ob der EU-Kommission der angekündigte Abbau von Bürokratie gelingt, ist noch ungewiss. Aber niemand kann ihr vorwerfen, nur davon zu schwadronieren.

Und sie bewegt sich doch

EU-Kommission

Und sie bewegt
sich doch

Von Detlef Fechtner

Oft wird in diesen Tagen an die Kalenderblatt-Weisheit erinnert, dass, wer einen Teich trockenlegen will, nicht die Frösche fragen darf. In anderen Worten: Es gibt enorme Zweifel daran, dass es ausgerechnet der EU-Kommission gelingen soll, Bürokratie abzubauen und Meldepflichten zu reduzieren. Schließlich seien EU-Beamte doch darauf geeicht, Regeln zu schaffen, nicht abzuschaffen.

In der Tat gibt es gute Gründe, skeptisch zu sein. Das liegt aber weniger an der Psychologie von Beamten als vielmehr an politischen Widerständen. Erstens vonseiten politischer Parteien, die sich bei einzelnen Themen als Hardliner erweisen und sich bürokratischen Entlastungen selbst dann widersetzen, wenn damit nur sehr geringe Einbußen bei der Erreichung von politischen Zielen einhergehen. Zweitens vonseiten derer, die Regeln bereits eingeführt haben – und nun die politischen Kosten nachträglicher Lockerung oder gar Rückabwicklung scheuen. Oder drittens von all denen, die wie beispielsweise Berater oder Anwälte von Regulierung im Allgemeinen oder wie bestimmte Branchen von einzelnen Verordnungen profitieren.

Sehr anschaulich ist aktuell zu beobachten, wie groß die Herkulesaufgabe ist, die sich Ursula von der Leyen vorgenommen hat. Im Entwurf der Anhänge zur Mitteilung, mit der die EU-Kommission am Mittwoch ihr Arbeitsprogramm vorstellen will, steht unter anderem die Neuregelung von Open Finance auf der Streichliste. Das sorgt nicht nur für Schrecksekunden bei Fintechs, sondern auch in der EU-Kommission selbst für Kontroversen. Ob die EU-Kommission umsteuert oder an der Rücknahme der Fida-Verordnung festhält, wird sich deshalb erst in letzter Sekunde entscheiden.

Unbeschadet davon kann aktuell aber niemand der EU-Kommission vorwerfen, nur von Bürokratieabbau zu schwadronieren und nichts auf den Weg zu bringen. Die geplante Einführung einer neuen Mittelstandskategorie, die Überlegungen zur Befreiung der vielen kleinen und mittelgroßen Importeure von den Anforderungen im Zuge der Grenzausgleichssteuer und der Fahrplan für gleich mehrere Omnibus-Pakete zur Rechtsvereinfachung in den nächsten Monaten sind nur einige Beispiele dafür, dass sich die EU-Kommission bewegt. Die Chancen, dass ihr ein signifikanter Abbau von Verwaltungsaufwand und eine echte Entlastung der Wirtschaft gelingt, mögen angesichts der vielen Widerstände nicht bei 70:30, sondern eher bei 30:70 liegen. Aber das sind immerhin 29 Prozentpunkte mehr als bei früheren Initiativen zum Bürokratieabbau.

Niemand kann der EU-Kommission vorwerfen, von Bürokratieabbau nur zu schwadronieren.

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