Upgrade für den kleinen Drachen
Ein neues chinesisches Jahr steht ante portas. China feiert nach Mondkalender „Chunjie“, wörtlich Frühlingsfest. Am Mittwoch hat der stolze Drache als edelstes der zwölf Tierkreiszeichen ausgedient und gibt die Regie an die eindeutig weniger beliebte Schlange ab. Im Schnickschnack-Handel bedeuten Schlangenjahre eine gewisse Herausforderung. Bei Stofftieren, Schlüsselanhängern und zigtausend anderen auf das passende Viech abgestimmten Geschenkartikeln sind Schlangenmotive nicht unbedingt der Renner. Lediglich in der Juwelierbranche ist man dem Reptil zugeneigt. Es mutet am Hals oder am Handgelenk im Zweifelsfall eleganter an als Ornamente, die zum Jahr des Schweins, des Rinds oder der Ratte passen.
Der Gürtel wird enger geschnallt
In China behilft man sich für diesen spezifischen Tierkreiszeichenwechsel mit einer tröstenden Formel und bezeichnet die Schlange kurzerhand als den kleinen Drachen. Eine Herabstufung ist es freilich dennoch. Das passt auch zu den wirtschaftlichen Befindlichkeiten und dem heimischen Verbraucherklima. Im mittlerweile dritten Jahr seit dem Ausstieg aus Pandemie-Restriktionen setzt sich bei den privaten Haushalten der Trend zum „Consumption Downgrade“ fort. Der Gürtel muss immer enger geschnallt werden, das kann wohl auch als Schlangenmotiv durchgehen.
Kulturerbe der Menschheit
In anderer Hinsicht aber gibt es ein handfestes „Upgrade“ zu beklatschen, das zum Jahr der Schlange erstmals volle Wirkung entfaltet. Kürzlich hat der Unesco genannte kulturelle Ableger der Vereinten Nationen das Frühlingsfest als „gesellschaftliche Praktiken der Chinesen zur Feier des traditionellen Neujahrs“ in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Das ist wunderbar, es gibt nur einen winzigen Haken. Im Rest der Welt entwickeln die wenigsten Menschen für den Zeitraum Januar- bis Februarmitte, in den das Fest fällt, bereits Frühlingsgefühle. So stiftet die Übersetzung „Spring Festival“ bisweilen Verwirrung auf globaler Bühne.
„Lunar New Year“ geht nicht
Wer darum lieber von Chinese New Year spricht, macht aus Pekinger Sicht nichts falsch. Wehe aber denjenigen, die sich ganz neutral geben und vom Lunar New Year sprechen. Das ist mondkalendarisch völlig korrekt und in einschlägigen Wörterbüchern als zulässige Übersetzungsmöglichkeit angegeben, gilt nach neuzeitlicher patriotischer Auffassung jedoch als politisch unkorrekt. Werbetreibende sollten in dieser Hinsicht gut aufpassen, um es sich mit chinesischen Wutbürgern nicht zu verscherzen.
Chunjie Kuaile!
Die auch in Hongkong und Singapur präsente chinesische Teehauskette Chagee hat in einer englischen Grußbotschaft ihren auswärtigen Kunden „Happy Lunar New Year“ gewünscht und wurde umgehend mit einer Protestwelle und Boykottaufrufen im chinesischen Netz konfrontiert. Bleibt nur noch, den Verantwortlichen für diesen Fauxpas schleunigst auf den Mond zu schießen und allen Lesern „Chunjie Kuaile“ oder gerne auch „Happy Chinese New Year“ zu wünschen.