US-Regierung sagt Wuchermieten den Kampf an
Notiert in Washington
Kampfansage an Wuchermieten
Von Peter De Thier
In den USA ist die Inflation weiter auf dem Rückzug. Die Teuerungsrate nähert sich dem zweiprozentigen Inflationsziel der Notenbank. Folglich wird die Fed übernächste Woche die erste Zinssenkung seit 2020 beschließen. Gleichwohl gibt eine Komponente der Verbraucherpreise Ökonomen weiter Rätsel auf: die hohen Mietpreise, die in keiner Relation zu der Nachfrage und dem Angebot an verfügbaren Wohnungen stehen.
Die exorbitanten Preise sorgen überall für Frustration: von San Francisco und Seattle im Westen der USA bis New York und Washington an der Ostküste. „Seitdem ich 2020 mein Studium abgeschlossen habe, hat sich die Miete für eine Zweizimmerwohnung, die ich mit einem Freund teile, auf 3.900 Dollar verdoppelt“, klagt Andrew W., ein 26-jähriger Consultant aus dem Washingtoner Vorort Arlington. Eine Antwort auf das Rätsel könnte nun das US-Justizministerium liefern. So hat Merrick Garland – als Attorney General formal der oberste Staatsanwalt im Lande – eine Klage gegen das Unternehmen Realpage eingeleitet.
Darin unterstellt die Regierung dem texanischen IT-Konzern, über Algorithmen Mietpreise künstlich aufzublähen. Damit entstehe ein faktisches Kartell an Immobilienverwaltern, die vertragswidrig Mietpreise innerhalb eines Monats um zweistellige Raten hochschrauben können. „Amerikaner sollten nicht mehr zahlen müssen, weil ein Tech-Unternehmen einen Algorithmus für illegale Preisabsprachen entdeckt hat“, sagte Garland. Betroffen sind Millionen von US-Bürgern. Schließlich kontrolliert Realpage 80% des Markts für Mietwohnungen. Vorgeworfen wird dem Unternehmen, über seinen Algorithmus „Yield Star“ persönliche Daten bestehender und potenziell künftiger Kunden zu verwerten, teilweise rechtswidrig. Neben Einkommens- und Vermögensverhältnissen, die bei Mietanträgen gang und gäbe sind, auch Informationen, die unter den persönlichen Datenschutz fallen.
Ferner soll Realpage aggressive Verkaufsstrategien anwenden, die sich in einer juristischen Grauzone bewegen. Dazu zählen Tausende von Anrufen, um persönliche Daten zu sammeln. Auch die Beschäftigung von „Preisberatern“, die Vermietern unangekündigte Besuche abstatten und sie überzeugen wollen, den Algorithmus zu verwenden. Auch über die Ausrichtung von Cocktailpartys, bei denen sich Eigentümer kennenlernen und über Preismaximierung reden, wurde berichtet.
Unterdessen weist Realpage die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen habe lange mit der Regierung in kartellrechtlichen Fragen kooperiert, heißt es in einer Stellungnahme. „Wir sind darüber enttäuscht, dass das Ministerium einen Sündenbock sucht für den Einsatz einer Technologie, die das Gegenteil der erhobenen Vorwürfe erreicht und den Wettbewerb sogar fördert“. Dennoch betont Realpage-Anwalt Stephen Weissman, dass „wir offen für mögliche Lösungen sind“.