Mailand

Venedigs Kampf mit Touristen und dem Hochwasser

Venedig wird in diesem Jahr der Biennale geradezu überrannt von Touristen. Die Lagunenstadt wird immer fragiler.

Venedigs Kampf mit Touristen und dem Hochwasser

Die Coronakrise ist für Venedig nur noch eine ferne Erinnerung. Die beschauliche Ruhe dieser Zeit ist längst vorbei. Selbst jetzt, Mitte November, bei extrem milden Temperaturen, wälzen sich noch Touristenmassen durch die Stadt. Vor allem rund um den Markusplatz, die Rialto-Brücke und im Arsenale, wo noch bis zum 27. November die Kunstausstellung Biennale zu sehen ist, ist kaum ein Durchkommen. Unterkünfte in der Stadt sind allenfalls zu exorbitanten Preisen zu bekommen. Nur am Lido oder auf dem Festland, in Mestre, sieht es etwas besser aus.

Hotels, Restaurants und Bars könnten sich über die üppigen Einnahmen freuen – doch diese werden von den gestiegenen Strom- und Gasrechnungen aufgefressen. Das trifft auch die berühmten Glashersteller der Insel Murano, deren Öfen rund um die Uhr laufen müssen und extrem viel Energie verbrauchen. Viele Produzenten haben ihre Öfen aus Kostengründen abgeschaltet.

Das riesige Glasprojekt „La Commedia Umana“ in der von dem berühmten Renaissance-Architekten Andrea Palladio auf der Insel San Giorgio Maggiore erbauten Kirche wirkt wie ein Abgesang auf die Glashersteller. Die größte je auf Murano produzierte Skulptur von Adriano Berengo und Ai Weiwei, die an einen Kronleuchter erinnert, ist 8,5 Meter hoch, 6,5 Meter breit, besteht aus 2000 Einzelteilen und wiegt 2,7 Tonnen.

Anselm Kiefer hat zum 1600. Jahrestag der Gründung Venedigs die prachtvollen Räume der Sala dello Scrutinio im Dogenpalast zur Verfügung gestellt bekommen. Er hat eigens für diese Ausstellung einen beeindruckenden und imposanten Gemäldezyklus geschaffen, der an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnert. In Anlehnung an den venezianischen Philosophen Andrea Emo sollen die mit Schriften versehenen Werke, „wenn sie verbrannt werden, endlich Licht spenden“. Kiefer will sein Werk nach Ausstellungsende den Flammen übergeben, so wie die gesamte Dekoration des Raumes, die 1577 einem Brand zum Opfer fiel.

Ähnlich fragil und vergänglich wie die Kunst ist auch die Stadt selbst, die seit dem Bau des Bahn- und Straßendamms unter österreichischer Herrschaft im 19. Jahrhundert von immer größeren Touristenmassen heimgesucht wird. Neben den vielen Besuchern macht Venedig vor allem der steigende Meeresspiegel zu schaffen. Das nach rund 20 Jahren fertiggestellte Schleusensystem Mose soll die Lagunenstadt vor den großen Überschwemmungen schützen. Gegen die vielen kleinen Überflutungen, die Venedig regelmäßig heimsuchen und etwa die wertvollen Mosaikböden zerstören, ist jetzt rund um den Markusdom eine Glasbarriere errichtet worden, die bei Bedarf hochgefahren werden kann. Die erste Nagelprobe hat das 5,3 Mill. Euro teure Bauwerk Anfang November bestanden. Während der Markusplatz unter Wasser stand, drang in den Dom kein Tropfen hinein. In zwei bis drei Jahren soll diese Zwischenlösung Vergangenheit sein. Dann soll ein noch größerer Bereich um den Markusdom mit einer solch hochfahrbaren Barriere geschützt werden.

Venedig wird mehr und mehr zu einer Museumsstadt. Während vor hundert Jahren noch etwa 150000 Einwohner dort wohnten, sind es heute nur noch gut 50000. Normale Geschäfte gibt es kaum noch. Die Preise sind hoch. Viele Venezianer vermieten ihre Wohnungen an Touristen und sind aufs Festland gezogen.

Auch die dicken Kreuzfahrtschiffe müssen nun am Festland anlegen. Mit dem Ende der spektakulären, aber für die Stabilität Venedigs verheerenden Fahrten durch den Giudecca-Kanal ist die Zahl der Kreuzfahrttouristen, die kommen, auf ein Minimum geschrumpft. Venedig, einst Top-Ziel vieler Routen, ist nicht einmal mehr unter den Top 50 der Kreuzfahrtdestinationen. Die Verantwortlichen suchen nach alternativen Routen, die ein Anlegen in Venedig erlauben, und verweisen darauf, dass 4000 Menschen in der Stadt vom Kreuzfahrttourismus leben.

An Touristen mangelt es Venedig jedoch keinesfalls – ganz im Gegenteil. Und das dürfte sich auch nicht ändern, wenn Tagesgäste ab 16. Januar 10 Euro Eintritt zahlen müssen. Nur wer eine Unterkunft in Venedig hat, ist davon ausgenommen.

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