Notiert inBerlin

Verkehrsinfarkt in der Hauptstadt

Verkehrschaos in Berlin: Die A100 bleibt nach einer Notsperrung blockiert. Ein Riss in einer maroden Brücke sorgt für Staus und Unmut bei Anwohnern und Pendlern – und wirft ein klares Licht auf Defizite deutscher Verwaltung.

Verkehrsinfarkt in der Hauptstadt

Notiert in Berlin

Verkehrsinfarkt in der Hauptstadt

Von Angela Wefers

Nun ist er auch in Berlin angekommen – der Verkehrsinfarkt. Nicht im politischen Berlin, sondern ganz hart auf der Straße. Der Stadtring A100, der weitgehend den Berufsverkehr schluckt, war nach einer Notsperrung am Verkehrsknotenpunkt Funkturm mehrere Tage voll blockiert und ist nun nur eingeschränkt befahrbar. Entnervte Fahrer von Pkw und Lkw schieben sich durch Nebenstraßen der anliegenden Wohngebiete. Die Bewohner des vornehmen Westends verzweifeln. Ein Ende: nicht absehbar. Die Perspektive eines „nur“ zweijährigen Ausnahmezustands wird mittlerweile als voreilig abgetan.

Riss in der Brücke

Man könnte fast amüsiert über die Ursache sein: ein vergrößerter Riss in einer maroden Autobahnbrücke. Dies ist in Deutschland kein Einzelfall. Immerhin 4.000 Brücken sind als sanierungsbedürftig eingestuft. Die Vorgeschichte aber ruft nur ungläubiges Staunen hervor. Vor allem bietet sie ein Lehrstück, wie Politik und Verwaltung versagen. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf – immerhin so groß wie Bonn, Bielefeld oder Bochum –, der Berliner Senat als Landesregierung und die Autobahn GmbH des Bundes schieben sich seit der Notsperrung gegenseitig die Verantwortung zu.

Entdeckt wurde der Riss 2015. Ein Jahr später begann der Senat, den Neubau vorzubereiten. Das Planfeststellungsverfahren wurde 2022 eingeleitet, allerdings nur für eine „Behelfsbrücke“. Es läuft noch. Zehn Jahre nach Entdeckung des Risses liegt somit noch keine Baugenehmigung vor. Der Neubau der Brücke soll aus dem Verfahren herausgelöst werden, wie Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) in Aussicht stellte. Dies sei aber mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden.

S-Bahn betroffen

Der nun unvermeidliche Abriss der Brücke, die Gleise überquert, wird drei Monate dauern. Allein dafür wird eine der Hauptstrecken der Berliner S-Bahn gesperrt werden müssen. Wie oft und wie lange, bleibt offen. Bislang läuft der Zugverkehr noch – ein Trost, da die Gewerkschaft Verdi im Tarifstreit derzeit die Berliner Verkehrsbetriebe BVG tageweise bestreikt. Busse und U-Bahnen bleiben in den Depots.

Für die Autobahn GmbH ist dies eine Bewährungsprobe. Die Gesellschaft des Bundes bündelt seit 2021 Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung der Autobahnen und Bundesstraßen. Bis dahin machten dies die Länder für den Bund. Die Autobahngesellschaft hatte zuletzt Schlagzeilen gemacht, als die Ampel-Regierung sie nutzen wollte, um mehr Kredite an der Schuldenbremse vorbei aufzunehmen. Dies scheiterte an den mangelnden eigenen Einnahmen der GmbH.

Das Thema ist aber auch im politischen Berlin akut. In den Koalitionsverhandlungen plädiert die Union auf Partnerschaften mit privaten Investoren, um Engpässe im Verkehrsnetz zu beseitigen. Der Autobahn GmbH soll LKW-Maut zugewiesen werden, um sie kreditwürdig zu machen. Was nicht im Kleingedruckten steht: Schwarz-Rot würde sich damit eine weitere Kreditquelle eröffnen.

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