Volkswagen-Deal mit kurzer Halbwertzeit
Volkswagen
Deal mit kurzer
Halbwertzeit
Von Heidi Rohde
Die Tarifeinigung bei VW folgt einer traurigen Tradition: Statt die Probleme anzugehen, erkauft sich das Management Zeit mit einem faulen Kompromiss.
Bei einer Einigung unter Tarifpartnern gilt das ungeschriebene Gesetz, dass beide Seiten sich als Gewinner fühlen müssen. Mit derlei Kosmetik kann auch der kurz vor Weihnachten bei VW erzielte Kompromiss zwischen Gewerkschaft und Management aufwarten: Formal wird kein Werk geschlossen, betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben, gespart werden soll dennoch, mit einem Lohnstopp bis 2027 und einem sozialverträglichen Abbau von 35.000 Stellen – alles in allem ein klassischer VW-Deal. Er wäre weniger verwerflich, wenn sich als Dritter im Bunde auch das Unternehmen zu den Gewinnern zählen dürfte. Aber leider ist es bei VW mit Kosmetik nicht getan.
Kein zeitlicher Rahmen
Der Konzern kämpft mit massiven Kostennachteilen in Europa, die seine Wettbewerbsfähigkeit vor allem auf dem ohnehin schwachen E-Automarkt erheblich beeinflussen und zu einer gravierenden Unterauslastung in mehreren Werken geführt haben. Im Angesicht dieser akuten Krise bleibt unklar, was „mittelfristig“ bei den avisierten Einsparungen bedeutet. Bei Lichte besehen können sie indes gar nicht mit einem klaren zeitlichen Rahmen versehen werden, denn für den voluminösen Stellenabbau setzt der Konzern auf Abfindungsprogramme und Freiwilligkeit.
Das hat schon in der vorherigen Sparrunde nicht funktioniert, die 2016 im Rahmen des „Zukunftspakts“ ausgerufen wurde. Damals sollten 23.000 Stellen wegfallen, am Ende war die Zahl der Beschäftigten sogar in Summe gestiegen. Aktuell kommt hinzu, dass in der gesamten Auto- und Zulieferbranche Tausende von Stellen abgebaut werden. Damit fehlt bei einem Abfindungsangebot die berufliche Perspektive. Das dürfte den Erfolg deutlich beeinträchtigen. Während von der vom Management geforderten Lohnkürzung gar nicht mehr die Rede ist, erschließt sich auch die Ersparnis durch den vereinbarten Lohnstopp nicht, weil im Gegenzug Zahlungen in einen Fonds fließen, der dann letztlich wieder an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden soll.
Bloße Luftnummer
So erwecken die Sparziele insgesamt den Eindruck einer Luftnummer. Management und Gewerkschaft erliegen zum wiederholten Mal der Versuchung, Probleme auf die lange Bank zu schieben, in der Hoffnung, dass die Zeit sie löst, indem der Markt dreht. Aber falls die Verbraucher nicht plötzlich eine starke Vorliebe für die bisher verschmähten überteuerten E-Autos von VW entdecken, wird der jüngste Kompromiss in Wolfsburg eine kürzere Halbwertzeit haben als alle vorherigen.