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Vom Wollen und vom Werden

Ob Deutschland wirklich die Regierung erhält, die Union und SPD jetzt angekündigt haben, bleibt abzuwarten. Es gilt, den Koalitionsvertrag richtig zu lesen.

Vom Wollen und vom Werden

Notiert in Berlin

Vom Wollen und vom Werden

Von Andreas Heitker

Viel ist in den vergangenen Tagen schon über den Koalitionsvertrag gesprochen worden, den CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode zusammengeschrieben haben. Es lohnt sich aber, alles noch einmal im Original nachzulesen. „Jeder Satz ist Politik pur“, sagte Markus Söder. Und der CSU-Chef hat recht. In den 144 Seiten finden sich Gaga-Sätze wie „Die Koalition will in den kommenden vier Jahren zeigen, dass Deutschland zurück ist". Wo dieses „zurück“ genau liegt, wird leider nicht erklärt. Es gibt aber auch Handlungsanweisungen, die das Zeug zum Wandtattoo für alle Abgeordnetenbüros haben: „Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen“. Da ist die Erleichterung groß.

Ob Deutschland wirklich die Regierung erhält, die die künftigen Koalitionäre jetzt angekündigt haben, bleibt aber noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Der mögliche neue Kanzleramtschef Thorsten Frei von der CDU hat netterweise eine kleine Lesehilfe für den Koalitionsvertrag mitgeliefert: Es gebe Sätze, die mit „wir werden“ beginnen, erläuterte er in der ARD. Diese stünden nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Daneben stünden viele Sätze, die mit „wir wollen“ begännen – „weil man nicht alles, was drinsteht, zwingend auch machen kann“, gab Frei unumwunden zu. Dass die Koalition nur zeigen „will“, dass Deutschland zurück ist, erscheint vor dem Hintergrund noch einmal mutloser.

Kommissionen, Arbeitskreise, Prüfaufträge

Man muss Union und Sozialdemokraten allerdings zugutehalten, dass sie zwar bei vielen Themen noch nicht auf einer Wellenlänge liegen oder nicht wissen, was zu tun ist – sie den Start des schwarz-roten Bündnisses aber trotzdem nicht aufschieben wollen. Es gilt, angesichts der globalen Krisen Verantwortung zu zeigen. Außerdem: Streiten kann man auch später noch.

Dies führte auch dazu, dass im Koalitionsvertrag gleich 18 Kommissionen und Arbeitskreise sowie 88 Prüfaufträge angekündigt werden. Es soll eine Rentenkommission geben, eine zur Modernisierung der Schuldenbremse, eine zur künftigen Bund-Länder-Zusammenarbeit. Experten sollen das Prostituiertenschutzgesetz überprüfen, andere die Wettbewerbswirkungen von künstlicher Intelligenz. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass jedes Thema, das kontrovers ist, in eine Kommission oder einen Arbeitskreis verlegt ist“, monierte bereits die grüne Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann.

Erste Aufgabe: Die eigenen Reihen überzeugen

Jetzt gilt es für die künftigen Koalitionäre erst einmal, die eigenen Reihen von ihren Vereinbarungen zu überzeugen. Die CSU hat dem Koalitionsvertrag bereits zugestimmt. Bei der CDU ist am 28. April ein kleiner Parteitag gefragt. Die SPD startet am Dienstag ihre Mitgliederbefragung und lädt am Vorabend noch zur „Dialogkonferenz“ nach Hannover ein. Als ambitionslos wollen alle drei Seiten nicht gelten. Die höchsten Erwartungen, so heißt es in der Präambel des Koalitionsvertrages ausdrücklich, lege man bei sich selbst an. „Wir müssen besser werden, damit es in Deutschland wieder aufwärts geht.“


Mehr zu den Plänen der Koalition finden Sie auf unserer Schwerpunktseite.


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