Vorbereitung auf eine Normalisierung
Auch wenn sich die Verhandlungen für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg deutlich zäher gestalten als noch vor kurzem erwartet, so sind die Signale und Vorbereitungen auf eine sukzessive Normalisierung des wirtschaftlichen Verhältnisses zwischen Russland und dem Westen nicht mehr zu übersehen. Die Geschwindigkeit von Ankündigungen, Mitteilungen, aber auch Blendgranaten kann schwindlig machen. Klare Linien sind noch nicht auszumachen.
Was nicht heißt, dass manche Faktoren nicht bereits zutage treten. Zwei sind besonders bemerkenswert und zeugen einerseits von der Brisanz des Themas und andererseits von einer alten russischen Besonderheit. Punkt eins ist die Furcht, dass bei einer Rückkehr westlicher Unternehmen jenen russischen Firmen neue Konkurrenz droht, die sich in der partiellen Isolation gut eingerichtet und vom Weggang westlicher Unternehmen profitiert haben. Am deutlichsten trat dies kürzlich bei den Elektronik- und Softwareherstellern zutage. Deren Branchenverband ARPE sah sich veranlasst, die Regierung um Schutz zu bitten, weil ausländische IT-Firmen offenbar schon beginnen, Personal zu suchen und ihre ehemaligen Mitarbeiter wieder anzuwerben. Mit einer Liste an konkreten Vorschlägen wandte sich der Verband an Premierminister Michail Mischustin, wie das russische Wirtschaftsmedium RBC berichtete. So etwa, Zölle in Höhe von 30% auf Elektronikimporte zu verhängen oder westliche Marken von Staatsaufträgen auszuschließen. Auch sollten westliche Konkurrenten den Markt erst wieder betreten können, wenn sie sich verpflichtet hätten, keine Sanktionen gegen Russland zu befolgen.
Bemerkenswert ist Punkt zwei – das alte russische Kriterium, denjenigen westlichen Unternehmen gegenüber loyal zu sein, die selbst ein ausreichendes Maß an Loyalität gezeigt haben. Das war ähnlich schon Ende der 1990er Jahre, als angesichts der damaligen rein wirtschaftlichen Krisen ein Teil der Firmen nicht die Tür zugeschlagen hat und danach einen Startvorteil hatte.
Russland wählt jetzt einen ähnlichen Zugang, wie sich aus der jüngsten Rede von Staatspräsident Wladimir Putin vor dem russischen Industrie- und Unternehmerverband herausfiltern lässt. Ebendort stellte er klar, dass diejenigen, die trotz des öffentlichen Drucks des Westens in irgendeiner Form geblieben sind, mit einem entsprechenden Entgegenkommen und Respekt der russischen Regierung rechnen können. Diejenigen aber, die die Tür zugeschlagen und das Unternehmen zu einem geringen Preis verkauft bzw. seinem Schicksal überlassen hätten, sollten nicht mit einem ebenso billigen Rückkauf rechnen. Die Regierung soll nun transparente Verfahren für die Rückkehr dieser Firmen entwickeln.
Übrigens: Das Monitoring der Kyiv School of Economics zeigt, dass die meisten der 4.101 ausländischen Unternehmen ohnehin in Russland geblieben sind. Nur 481, also 11,7%, haben das Land seit Beginn des Ukraine-Krieges endgültig verlassen.