Notiert in Moskau

Warten auf westliche Autos

Die Zurückhaltung der Russen beim Autokauf hat viele Gründe – einer davon ist die Hoffnung auf eine Rückkehr westlicher Marken. Dass gleichzeitig nun mehr Autos gestohlen werden, hat wiederum einen anderen Grund.

Warten auf westliche Autos

Notiert in Moskau

Warten auf westliche Autos

Von Eduard Steiner

Der Automarkt ist nicht der einzige Indikator für die Lage der russischen Wirtschaft. Die Dynamik in diesem Segment verdient aber besondere Aufmerksamkeit, da es jener Markt ist, der wegen der westlichen Sanktionen die stärkste Hinwendung Richtung China erfahren hat. Heute stammen weitaus mehr als die Hälfte aller Neuwagen aus China, während es vor drei Jahren nicht einmal 10% waren. Im Februar gingen zum ersten Mal seit acht Monaten die Verkäufe von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen zurück – und zwar um 24% im Jahresvergleich, wie die Statistik der Association of European Businesses in Russland (AEB) zeigt. Im März waren es gar 45%. Für das erste Quartal ergibt dies 254.069 verkaufte Stück – ein Minus von 26%.

Die merkliche Verlangsamung findet vor dem Hintergrund statt, dass das Wirtschaftswachstum, das in den vergangenen beiden Jahren bei verblüffenden 4,1% gelegen hat, Prognosen der Zentralbank zufolge 2025 auf nur noch 1 bis 2% abbremst. Was die Verlangsamung auf dem Automarkt betrifft, so nennen Experten unter anderem die erhöhte Abwrackgebühr als Ursache oder die wegen des im Herbst auf 21% erhöhten Leitzinses rasant gestiegenen Kreditzinsen.

Geduldiges Warten auf Westkarossen

Ein weiterer, neuer Grund aber, den das Fachmedium Autodaily.ru unter Verweis auf Marktteilnehmer beleuchtet, verdient besondere Beachtung: So würden unter dem Eindruck der bilateralen Gespräche zwischen den USA und Russland Gerüchte die Runde machen, dass schon bald westliche Automarken nach Russland zurückkehren werden. In Erwartung dessen würden die Russen derzeit mit Käufen zuwarten. Und dies, obwohl die Händler in Russland eifrig Preisnachlässe gewähren, weil sich Hunderttausende Autos in den Lagern angehäuft hätten – allein aus China seien es 350.000 bis 360.000, wie der ehemalige Präsident der Vereinigung russischer Autohändler, Oleg Mosejew, in einem Interview erklärte.

Aus Mangel an Alternativen hatten die Russen seit Kriegsbeginn massenhaft chinesische Fahrzeuge gekauft. Aber die Liebe zu westlichen Produkten ist trotz einer zuletzt gestiegenen Westfeindlichkeit bzw. -skepsis nicht verschwunden. Und sie scheint so stark zu sein, dass die Leute auf ein neues Auto verzichten, obwohl ihnen von den Händlern eingehämmert wird, dass eine Rückkehr westlicher Fahrzeuge wohl nicht vor einem Jahr zu erwarten sei – im besten Fall.

Autodiebstahl für Ersatzteile

Weil wir schon bei Autos und Statistiken sind: Das Jahr lässt sich in Russland auch insofern nicht gut an, als Autodiebstähle signifikant zugenommen haben. Das Fachmedium Autonews.ru hat bei Versicherern teils extreme Zahlen erfahren. So verzeichnete der Versicherer VSK im ersten Quartal 2025 eine Zunahme um 70% zum Vorjahr, der Konkurrent Alpha um 60%. Und noch etwas ist auffällig: Wurden 2024 gern europäische Autos gestohlen, so nun eher einheimische und chinesische. Nicht zum Weiterverkauf, wohlgemerkt. Sondern zum Ausschlachten, weil es Probleme bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.