Im BlickfeldFrankreichs Start-up-Szene

Wie Frankreich seine Gründerszene mit der French Tech stark gemacht hat

Frankreichs Startupszene gilt trotz sinkender Finanzierungen als widerstandsfähig. Zu verdanken hat sie das auch dem französischen Staat, der sie mit der French-Tech-Initiative gezielt fördert.

Wie Frankreich seine Gründerszene mit der French Tech stark gemacht hat

Frankreichs Start-up-Szene

Wie Frankreich die Gründerszene mit der French Tech stark gemacht hat

Französische Finanzierungsrunden bringen mehr Geld als deutsche – Image bei Auslandsinvestoren verbessert

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Von Gesche Wüpper, Paris

Die Finanzierungsvolumina für französische Start-ups sind 2023 eingebrochen, genau wie in Deutschland und Großbritannien. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die französische Gründerszene jedoch weit widerstandsfähiger. "Resilient, aber nicht resigniert", charakterisiert das auf Fintechs spezialisierte französische Online-Portal "Finyear" die Lage.

Laut dem jährlich von "Atomico" veröffentlichten State of European Tech Report wächst die französische Start-up-Szene stärker als jede andere in Europa. Ihr Marktanteil sei zwischen 2019 bis 2023 von 18% auf 22% gestiegen.

Gezielte Förderung durch den Staat

Zu verdanken haben die Gründer den Boom nicht zuletzt dem französischen Staat, der sie in den letzten Jahren gezielt gefördert hat, um jungen Menschen Lust auf das Unternehmertum zu machen. Jahrzehntelang hatten junge Franzosen eher davon geträumt, als Beamte im Staatsdienst Karriere zu machen.

"Ich will, dass Frankreich eine Start-up-Nation ist – eine Nation, die wie ein Start-up denkt und handelt", erklärte Präsident Emmanuel Macron deshalb kurz nach seiner ersten Wahl 2017.

Das Herz der Gründerszene schlägt in Paris

Damals hatte er gerade im 12. Arrondissement von Paris die "Station F" von Iliad-Gründer Xavier Niel eingeweiht. Der mit 34.000 Quadratmetern und über 1.000 jungen Unternehmen weltweit größte Start-up-Campus spielt eine Schlüsselrolle für Frankreichs Gründerszene.

Das Fundament von Frankreichs Start-up-Strategie ist "French Tech", eine Initiative, die im Herbst ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Zunächst als Label für Städte mit idealem Umfeld für Firmengründungen erdacht, hat die Marke nicht nur jungen, innovativen Unternehmen im Ausland zu mehr Sichtbarkeit verholfen.

Neue Kriterien für den Next 40

French Tech hat auch maßgeblich dazu mit beigetragen, den Ruf Frankreichs bei Auslandsinvestoren zu verbessern. Litt das Image des Standortes noch vor zehn Jahren wegen der 35-Stunden-Woche, einer Reihe medienwirksam inszenierter Streiks und steuerrechtlicher Unsicherheiten, so hat die Start-up-Initiative dazu beigetragen, dass Frankreich inzwischen bei Auslandsinvestitionen in Europa die Spitzenposition innehat.

Milliardenschwere Förderprogramme

Seit ihrem Start wurde die French-Tech-Initiative durch verschiedene Förderprogramme ergänzt. So hat sie im vergangenen Jahr zusammen mit der staatlichen Investmentbank Bpifrance und dem Generalsekretariat für Investitionen das Programm French Tech 2030 lanciert, um Deeptechs aus Schlüsselbereichen im Rahmen des von Macron 2021 vorgestellten, 30 Mrd. Euro schweren Investitionsprogramms France 2030 zu begleiten. Zu den Förderprogrammen der French Tech gehören aber auch die beiden 2019 lancierten Indizes Next 40 und French Tech 120.

Für den Next 40 werden die 40 vielversprechendsten Start-ups ausgewählt, die dann entsprechend begleitet werden, um sie zu den führenden Unternehmen der Zukunft zu machen. 2023 gehörten dem Index auch in Deutschland bekannte Namen wie Blablacar, Doctolib und Qonto, aber auch Neuzugänge wie Flying Whales und Verkor an. Der French Tech 120 wiederum gilt als Vorstufe für den Next 40.

Die Auswahlkriterien für die beiden seien jedoch von Anfang an umstritten gewesen, heißt es in Paris. So galten die Höhe der bei Finanzierungsrunden eingesammelten Gelder und ein Hyper-Wachstum als wichtigste Kriterien für den Next 40, dem deshalb ausschließlich Einhörner und andere Start-ups mit hohen Bewertungen angehören. Bisher.

Denn die Kriterien für die neue Zusammensetzung, die im Sommer bekannt gegeben werden soll, haben sich geändert. Neben den Finanzierungsrunden sollen nun auch der Umsatz sowie Diversitäts- und Umweltfragen berücksichtigt werden. Gerade in Sachen Gleichberechtigung hat French Tech Nachholbedarf. In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens waren gerade mal 9% der Gründer Frauen. Gleichzeitig haben 71% ihrer Unternehmer eine Grande Ecole absolviert, eine der elitären Hochschulen.

Dennoch fällt die Bilanz der ersten zehn Jahre der French-Tech-Gründerszene positiv aus. "Wir zählen 25.000 Start-ups, darunter 31 Einhörner, die mehr als eine Million direkte und indirekte Arbeitsplätze schaffen", sagt Clara Chappaz. Die Direktorin der French-Tech-Inititiative ist besonders stolz darauf, dass mehr als zwei von drei Franzosen die von French-Tech-Unternehmen entwickelten Lösungen so wie die Mitfahrplattform Blablacar, das Sprechstundenreservierungstool Doctolib oder die Bezahlapp Lydia im Alltag nutzen.

Tech-Giganten verzweifelt gesucht

Einhörner seien ja schön und gut, meint Maya Noël, die Vorsitzende des Start-up-Lobbyverbandes France Digitale. Da es nicht um börsennotierte Unternehmen gehe, beziehe sich die Angabe immer auf die Bewertung der letzten Finanzierungsrunde. "Das ist weit davon entfernt, exakt zu sein", gibt Noël zu bedenken. "Es ist gut, mit 1 Mrd. Euro bewertet zu sein, aber was wir erwarten, sind Unternehmen, die laufen, die Kunden haben und Arbeitsplätze schaffen."

Obwohl die Start-ups der French Tech 2023 weniger Geld einsammeln konnten, haben sie nach Angaben des Verbandes der französischen Digitalwirtschaft Numeum jedoch neue Arbeitsplätze geschaffen. Insgesamt 36.000 hat Numeum auf Basis einer Stichprobe bei 10.000 jungen Unternehmen errechnet. Das wären 9,4% mehr als im Vorjahr.

Zwischen Deutschland und Großbritannien

Dagegen sind die Finanzierungen 2023 im Vergleich zum Rekordjahr 2022 deutlich zurückgegangen. Mit insgesamt 8,7 Mrd. Euro steht Frankreich aber besser als Deutschland da, wo Finanzierungsrunden Jungunternehmen im vergangenen Jahr gerade einmal rund 6 Mrd. Euro brachten. Noch besser läuft es allerdings für britische Start-ups, die laut EY mit 16,8 Mrd. Euro fast doppelt so viel wie französische erhalten haben.

"Das Jahr 2023 war in Frankreich wie Europa von einem deutlichen Rückgang des aufgenommenen Kapitals geprägt", erklärt Patricia Braun von der Unternehmensberatung In Extenso Innovation Croissance. Im Vergleich zu 2019 könne sich das Finanzierungsniveau jedoch durchaus sehen lassen. Gleichzeitig erweise sich das Ökosystem der French Tech im europäischen Vergleich als widerstandsfähiger und lanciere nun mehrere Maßnahmen, um es zu stärken.

Wirtschaftsminister betreibt Fundraising

Dazu gehören die Initiative "Tibi II" und die "Mission Midy". Im Rahmen von "Tibi II" haben sich im Sommer 28 institutionelle Investoren gegenüber Wirtschaftsminister Bruno Le Maire verpflichtet, bis 2026 fast 7 Mrd. Euro in Technologieunternehmen zu investieren, darunter die Allianz, Axa, BNP Cardif, BPCE, Crédit Agricole Assurance und Société Générale. Die "Mission Midy" wiederum soll der "French Tech" 500 Mill. Euro bringen.

Auch wenn die französische Start-up-Szene in den vergangenen Jahren einige bekannte Namen hervorgebracht hat, so hat sie es bisher nicht vermocht, einen weltweit führenden Tech-Konzern wie in den USA zu bilden. Das Problem sei, dass in Europa im Gegensatz zu den USA und Asien nicht heimische Unternehmen bevorzugt würden, meint Maya Noël von France Digitale. Sie plädiert deshalb für ein europäisches Pendant zum amerikanischen Small Business Act.

Fokus auf künstliche Intelligenz

Um bei der künstlichen Intelligenz (KI) nicht die nächste große Revolution zu verpassen, will Frankreich nun verstärkt Initiativen aus diesem Bereich fördern. Das Thema spielt auch in der French Tech eine immer wichtigere Rolle. So sammelte Mistral AI bei einer Finanzierungsrunde über 385 Mill. Euro ein, während Batteriehersteller Verkor auf 850 Mill. Euro kam. KI und Greentech dürften nach Ansicht von Experten 2024 die Wachstumstreiber der French Tech bleiben.

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