Im Blickfeld:Britische Konjunktur

Wohnimmobilienmarkt lebt auf

Am britischen Wohnimmobilienmarkt machen sich die sinkenden Zinsen bemerkbar. Die Kaufinteressenten kehren zurück.

Wohnimmobilienmarkt lebt auf

IM BLICKFELD

Britischer Wohnimmobilienmarkt lebt auf

Sinkende Zinsen sorgen für zunehmendes Käuferinteresse

Von Andreas Hippin, London

Die erste Zinssenkung der Bank of England seit 2020 hat sich am britischen Wohnimmobilienmarkt bemerkbar gemacht. Die Anfragen von Kaufinteressenten bei Maklern, die das Immobilienportal Rightmove nutzen, sind seit dem 1. August im Vorjahresvergleich um fast ein Fünftel (19%) gestiegen. Die Zahl der vereinbarten Transaktionen legte um 16% zu.

Die Notenbank nahm den Leitzins im vergangenen Monat um 25 Basispunkte auf 5,0% herunter. Das habe der spätsommerlichen Käuferaktivität am Markt einen willkommenen Schub verliehen, sagt Tim Bannister, der bei Rightmove als Director of Property Science fungiert.

„Lang erhoffter erster Schritt“

„Die Hypothekenzinsen sind seit der Leitzinssenkung zwar nicht wesentlich gesunken“, erklärt Bannister. „Aber die Tatsache, dass der lang erhoffte erste Schritt endlich erfolgt ist und die Hypothekenzinsen nach unten gehen, ist gut für die Stimmung der Umzugswilligen.“ Sowohl Kaufinteressenten als auch Verkäufer seien optimistischer.

Die Stimmung am Häusermarkt ist nicht nur wichtig für das Hypothekengeschäft. Der Großteil des Vermögens vieler britischer Haushalte ist in ihrer Wohnimmobilie gebunden. Steigen die Preise für ein Eigenheim, fühlen sich seine Bewohner wohlhabender, auch wenn sie den Gewinn nicht realisieren können, ohne umzuziehen. Die bessere Laune wirkt sich auf den privaten Konsum aus.

Hypothekenzinsen sinken langsam

Allerdings sind die Zinsen noch nicht dramatisch gesunken. Hypotheken mit festem Zins und einer Laufzeit von fünf Jahren waren der regelmäßigen Erhebung von Rightmove zufolge zuletzt im Schnitt für 4,76% zu haben. Vor einem Jahr forderten die Banken noch 5,69%. Für eine Laufzeit von zwei Jahren lag der Festzins im Schnitt bei 5,12 (i.V. 5,69)%.

Rightmove geht nun für das Gesamtjahr von einem Anstieg der Angebotspreise um 1% aus. Bislang hatte die Anzeigenplattform einen Rückgang von 1% erwartet. Der britische Wohnimmobilienmarkt zeichnet sich durch hohe Transparenz aus. Das spiegelt sich auch darin wider, dass in der Regel realistische Preise gefordert werden. Abschläge von mehr als 5% auf den Angebotspreis sind selten.

Sinkende Angebotspreise

Noch sinken allerdings die Angebotspreise. Dem Immobilienportal Zoopla zufolge reduzierten ein Fünftel der Anbieter im August den von ihnen geforderten Preis um 5% oder mehr. „Kaufinteressenten haben weniger Kaufkraft als vor zwei oder drei Jahren und sind weiterhin preissensitiv“, sagt Richard Donnell, Executive Director bei Zoopla. Das bedeute, dass es sich Verkäufer nicht leisten können, bei der Preisfestlegung zu übertreiben.

„Wenn Sie den Angebotspreis um 5% oder mehr reduzieren müssen, dauert es doppelt so lange, Ihre Immobilie zu verkaufen“, sagt Donnell. „Oder sie verkauft sich überhaupt nicht.“ Die Daten der Immobilienportale geben die Situation am Markt meist besser wider als die Preisindizes von Hypothekenanbietern wie Halifax und Nationwide.

Erholung schon vor der Zinssenkung

Die Erholung am Wohnimmobilienmarkt begann schon vor der lang erwarteten Zinssenkung. Wie Daten der Bank of England zeigen, wurden im Juli 62.000 Hypotheken vergeben. Das waren 1.500 mehr als am Markt erwartet. Im Vormonat waren es noch 60.600 gewesen. Es war der zweite monatliche Anstieg in Folge.

Wie der Volkswirt Daniel Mahoney von Handelsbanken betont, war die Zahl der vergebenen Hypotheken im Juli so hoch wie zuletzt im September 2022. Das unterfüttere andere Daten, die darauf hindeuteten, dass der britische Häusermarkt die Wende vollzogen hat und die durchschnittlichen Preise im weiteren Jahresverlauf und ins kommende Jahr hinein steigen dürften.

Höhere Löhne helfen

Zuletzt stiegen in Großbritannien die Arbeitseinkommen schneller als die Wohnimmobilienpreise. Das macht es Kaufwilligen einfacher, den Erwerb des Eigenheims zu finanzieren.

„Das Haar in der Suppe könnte in den kommenden Monaten der Haushaltsentwurf werden“, sagt Sarah Coles, Head of Personal Finance bei Hargreaves Lansdown. Seit Beginn des Wahlkampfs für die Wahlen im Juli gab es reichlich Spekulationen über mögliche Steuererhöhungen. Schatzkanzlerin Rachel Reeves wird im Oktober ihren Haushalt vorstellen. Premierminister Keir Starmer machte bereits klar, dass die darin enthaltenen Maßnahmen schmerzhaft werden.

Angst vor Steuererhöhungen

„Mit dem Haushaltsentwurf in Sicht könnten sich Kaufinteressenten Sorgen um ihre Fähigkeit machen, ihre Hypothekenraten zu bezahlen, sollte es zu Steuererhöhungen kommen“, sagt Coles. Allerdings habe die Regierung klargemacht, dass die Arbeitseinkommen der Menschen davon nicht betroffen sein werden.

Es gebe deshalb aus ihrer Sicht keine Hinweise darauf, dass sich von der Schatzkanzlerin vorgenommene Veränderungen auf mögliche Käufer auswirken könnten – von „Buy to Let“-Investoren einmal abgesehen.

Es könnte aber auch anders kommen: Nachdem sich schon früh ein überwältigender Wahlsieg von Labour abgezeichnet hatte, erwartete man sich politische und wirtschaftliche Stabilität. Doch im Sommer kam es in vielen Städten zu Unruhen. Vor der Wahl hatte Labour Kontinuität versprochen. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass die neue Regierung nicht nur in der Energiepolitik weitreichende Veränderungen anstrebt.

Doch noch zeigen viele Daumen nach oben. Einer der positiven Indikatoren ist die zunehmende Übernahmeaktivität in einer dem Wohnimmobilienmarkt nahestehenden Branche. Zuletzt äußerte Rupert Murdochs REA Group Interesse an Rightmove, dem größten britischen Immobilienportal. Im Herbst vergangenen Jahres hatte Costar aus den USA Onthemarket erworben, die Nummer 3 im Vereinigten Königreich.

Das Versprechen der neuen Regierung, den Wohnungsbau voranzutreiben, dürfte sich erst in vielen Jahren auf das Angebot auswirken. Die dafür nötigen Änderungen im Planungsrecht werden viel Zeit in Anspruch nehmen. Bis dahin herrscht große Knappheit. Wie das Statistikamt ONS mitteilt, wurden im Auftaktquartal 2024 so wenige Wohnungen gebaut wie zuletzt während des ersten Lockdowns im Pandemiejahr 2020.

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