Die zähe Suche nach Nachfolgern
Die zähe Suche nach Vorstandsmitgliedern für die Bundesbank
Von Martin Pirkl, Angela Wefers und Detlef Fechtner, Frankfurt/Berlin
Der Vorstand der Bundesbank ist seit dem Jahreswechsel nur noch zur Hälfte besetzt. Auch wenn es weiterhin an offiziellen Nominierungen mangelt, mögliche Kandidaten gibt es einige.
Der Plan ist gründlich schiefgegangen. Im Sommer 2023 tauschten Hessen und Nordrhein-Westfalen ihre Vorschlagsrechte für den Bundesbank-Vorstand. Statt der Landesregierung in Hessen, wo im Oktober Landtagswahlen anstanden, sollten die Regierungsparteien in NRW einen Vorschlag für die Nachfolge von Johannes Beermann unterbreiten. Dieser hatte bereits Ende 2022 das Führungsgremium der Bundesbank verlassen. Das Ziel des Tauschs war, die Suche nach einem Nachfolger zu beschleunigen. Schließlich mussten sich die Parteien in NRW nicht mit einer Wahl beschäftigen.
Weiterhin kein Vorschlag aus NRW
Doch auch ein Dreivierteljahr später gibt es noch keinen Vorschlag aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland. „Nordrhein-Westfalen wird zeitnah von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch machen“, heißt es dazu von einer Sprecherin der Landesregierung auf Anfrage der Börsen-Zeitung. Sie führt aus: „Es ist zugleich eine zeitnahe Entscheidung im Bundesrat dazu zu erwarten.“ Doch in genau diesem Wortlaut fiel bereits eine Stellungnahme der Landesregierung gegenüber der FAZ Anfang diesen Februars aus. Seitdem hat es nach wie vor keinen Vorschlag gegeben.
Auch in Hessen hatten bereits im Spätsommer vorigen Jahres prominente Vertreter der hessischen CDU signalisiert, dass es nach der Landtagswahl am 8. Oktober 2023 eigentlich recht schnell gehen sollte mit der Nominierung. Hessen ist nach dem Tausch mit NRW für die Nachfolge von Joachim Wuermeling zuständig. Dieser hatte den Vorstand der Bundesbank ebenso wie Claudia Buch – nun Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht – zum Jahresende 2023 verlassen. Seitdem ist der eigentlich sechsköpfige Bundesbank-Vorstand nur noch zur Hälfte besetzt.
Von der Agenda gerutscht
Nach dem Wechsel von Schwarz-Grün zu Schwarz-Rot rutschte in Hessen das Thema Bundesbank-Vorstand aber allem Anschein nach aus dem Blickfeld der neuen Koalitionäre. In der Bundesbank registrierte mancher mit einem Stirnrunzeln, dass sich die neuen politischen Partner über alle möglichen Posten verständigten, aber die Frage der Besetzung des Bundesbank-Vorstands hintanstellten. Das Warten solle nun aber bald ein Ende haben, hieß es jüngst aus Kreisen der hessischen CDU. „Die neue Landesregierung wird sich in der nächsten Zeit mit dieser wichtigen Personalie beschäftigen“, sagt Tobias Rösmann, Sprecher der hessischen Landesregierung auf Anfrage der Börsen-Zeitung.
Als ein möglicher Kandidat wird Michael Meister gehandelt. Der 62-jährige Südhesse bringt einerseits langjährige politische Erfahrung mit, denn er sitzt seit 30 Jahren im Bundestag. Zugleich kann er aber vor allem finanzpolitische Kompetenz vorweisen, als früherer parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium oder als langjähriges Verwaltungsratsmitglied der KfW. Zudem hat der Diplom-Mathematiker in seiner beruflichen Laufbahn mit Fragen von Innovation und Forschung zu tun gehabt – ein Thema, das im Bundesbank-Vorstand in Zeiten von Tokenisierung, digitalem Euro und Instant Payment an Bedeutung gewinnt.
Liberale in der Favoritenrolle
Das Vorschlagsrecht für die Nachfolge von Claudia Buch liegt beim Bund. Auch aus Berlin kam bislang keine Nominierung. Für politische Beobachter spricht einiges dafür, dass bei der Entsendung des Bundes in den Bundesbank-Vorstand ein Liberaler oder eine Liberale zum Zuge kommen sollte. Denn mit Sabine Mauderer und Joachim Nagel sind bereits zwei Vorstandsmitglieder im Amt, die sozialdemokratische Bezüge haben. Nagel als ehemaliger Referent beim SPD-Bundesvorstand, Mauderer als frühere Referentin der SPD-Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks. Neben dem Christdemokraten Burkard Balz werden aus Hessen und wahrscheinlich auch aus NRW Vorstandsmitglieder erwartet, die der CDU nahestehen.
Für das Verfahren verantwortlich ist innerhalb der Bundesregierung das von Christian Lindner (FDP) geführte Finanzministerium. „Die Bundesregierung hat noch keinen Vorschlag zur Bestellung eines neuen Vizepräsidenten bzw. einer neuen Vizepräsidentin unterbreitet“, ist die offizielle Lesart des Hauses. „Wann ein solcher erfolgt, ist noch offen“, teilte ein Sprecher der Börsen-Zeitung mit. Auch wenn das Vorschlagsrecht diesmal beim FDP-geführten Finanzministerium liegt, dürfte der Vorschlag innerhalb der Ampel-Koalition im Konsens fallen.
Der bisher letzte von der FDP vorgeschlagene Bundesbank-Vorstand war Carl-Ludwig Thiele, der dem Gremium von 2010 bis 2018 angehörte. Bei seiner Ernennung war eine schwarz-gelbe Regierung im Amt. Thiele war 20 Jahre lang Bundestagsabgeordneter und unter anderem Vorsitzender des Bundestags-Finanzausschusses und Vize-Fraktionsvorsitzender gewesen. Im Bundesbank-Vorstand war er für Bargeld, Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme zuständig.
Zwei Kandidatinnen im Fokus
Für die Nachfolge von Claudia Buch kursieren seit geraumer Zeit die Namen von zwei Frauen: Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und die parteiungebundene KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Stark-Watzinger ist zudem FDP-Vorsitzende in Hessen. Beide Frauen sind wirtschaftlich qualifiziert und erfahren im Finanzmarkt. Der aktuelle Posten Köhler-Geibs spricht bereits für sich. Schließlich hat sie als KfW-Chefvolkswirtin tiefen Einblick in Schwachstellen und Potenzial der deutschen Wirtschaft gewonnen – und in deren Finanzierungsstruktur. Darüber hinaus bringt die Ökonomin aus ihrer früheren Tätigkeit bei Internationalem Währungsfonds und Weltbank reichlich Erfahrungen an der Schnittstelle von Finanzmärkten und Wirtschaft mit. Denn Köhler-Geib hat sich als Forscherin ebenso wie als Beraterin politischer Institutionen intensiv sowohl mit Budgetregeln und dem Mix zwischen Fiskal- und Geldpolitik als auch mit Bankenkrisen, Finanzmarktstabilität und Handeln bei Unsicherheit beschäftigt – allesamt Themen, die für die Bundesbank von vorrangiger Bedeutung sind.
Stark-Watzinger ist Volkswirtin und arbeitete nach ihrem Studium in Mainz und Frankfurt zunächst bei der BHF-Bank. Bis 2013 war sie sechs Jahre lang Geschäftsführerin des House of Finance an der Goethe-Universität und bis 2017 Geschäftsführerin des Forschungszentrums SAFE – Sustainable Architecture for Finance in Europe.
Dass der Bund tatsächlich wieder eine Frau nominiert, ist zumindest nicht zwingend. Mit Sabine Mauderer ist bereits einer der drei Plätze des Bundes im Vorstand weiblich besetzt. Die Präsenzquote von Frauen könnte durchaus auch über die Länderseite aufrechterhalten werden. Würde Lindner Stark-Watzinger nominieren, hätte er gleich zwei neue Fragen zu lösen. Wer folgt auf Stark-Watzinger als Minister(in), wer im Landesvorsitz.
Interne Nachfolge?
Sollten wider Erwarten die Grünen im Bund zum Zuge kommen, fällt der Name von Staatssekretär Philipp Nimmermann. Diesen holte Vizekanzler Robert Habeck 2023 von Hessen ins Bundeswirtschaftsministerium. Vor seinem Wechsel nach Berlin galt Nimmermann als heißer Kandidat für die hessische Nominierung für den Bundesbank-Vorstand. Er verfügt über jahrelange Erfahrung im Bankensektor. Wie Stark-Watzinger arbeite auch er für die BHF-Bank. Dort machte er Karriere und stieg 2013 zum Chefvolkswirt der Bank auf. Ehe er von 2014 bis Anfang 2019 als Staatssekretär für das Finanzministerium in Schleswig-Holstein und dann in gleicher Rolle im hessischen Wirtschaftsministerium arbeitete.
Losgelöst vom politischen Proporz könnte der Bundesbank auch ein Kandidat aus den eigenen Reihen guttun und ein motivierendes Signal in das Haus senden. In EZB-Kreisen fällt der Name des Wirtschaftswissenschaftlers Klaus Adam als fachlich gut geeigneter Kandidat für einen Posten im Bundesbank-Vorstand. Adam ist bereits seit 2012 Forschungsprofessor für die Bundesbank und Mitherausgeber des "Journal of Monetary Economics". Zudem ist er Professor für Volkswirtschaftslehre und derzeit Dekan des Fachbereichs Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Mannheim sowie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums. Erfahrung sammelte der 52-Jährige zudem als Ökonom bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zwischen 2004 und 2008.
Namen von möglichen Kandidaten für die offenen Posten im Bundesbank-Vorstand kursieren also einige. Unabhängig davon, wer am Ende nun das Rennen macht, dürften die aktuellen Vorstandsmitglieder um Präsident Nagel hoffen, dass bald die Zeit vorbei ist, in der sie die Arbeit im Vorstand zu dritt stemmen müssen.
Der Vorstand der Bundesbank ist derzeit nur noch zu dritt und hofft auf baldige Verstärkung: Sabine Mauderer (von links nach rechts), Joachim Nagel und Burkhard Balz.