Zertifikate sind kein Teufelszeug
Zertifikate
Kurz gesagt: Kein Teufelszeug
Die BaFin widerlegt die These einer systematischen Fehlberatung bei Zertifikaten, Eigen-
verantwortung und Markttransparenz sind wichtiger als pauschale Regulierung.
Von Wolf Brandes
Zertifikate als Finanzprodukte stehen schon lange in der Kritik von Verbraucherschützern und skeptischen Anlegern. Die Vorwürfe sind altbekannt: zu teuer, zu intransparent, zu riskant – angeblich einseitig zum Vorteil der Banken. Doch diese Kritik ist oft pauschal und lässt außer Acht, dass die als strukturierte Wertpapiere bekannten Produkte sich in vielen Fällen als effiziente Anlageinstrumente erweisen. Die Debatte wird oft emotional geführt, doch die Realität ist weitaus differenzierter.
Sachliche Bestandsaufnahme
Vor einem Jahr trat die Finanzaufsicht BaFin auf den Plan und versprach, sich das Thema genau anzusehen. Was als potenzielle Abrechnung mit den Zertifikaten begann, entwickelte sich zu einer sachlichen Bestandsaufnahme – mit überraschendem Ergebnis. Denn wer darauf gehofft hatte, dass die BaFin den Zertifikaten endgültig den Garaus macht, wurde enttäuscht. Statt vernichtender Kritik kamen differenzierte, faktenbasierte Erkenntnisse ans Licht.
Keine systematische Fehlberatung
Ein Jahr lang untersuchte die BaFin den Zertifikatemarkt mit zwei Studien. Die Spannung in der Branche war groß: Würde Banken und Emittenten systematische Fehlberatung nachgewiesen werden? Würde die Finanzaufsicht ein vernichtendes Urteil fällen? Das Gegenteil war der Fall. BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch stellte jetzt in einem Interview auf der Homepage der Aufsicht klar: „Es gab keine systematische Fehlberatung bei Anlage-Zertifikaten. Die Institute haben Kunden nach der Zinswende nicht unzulässig zum Kauf solcher Zertifikate gedrängt.“ Ein klares Statement, das der gängigen Kritik der Verbraucherschützer widerspricht.
Jeder Fünfte versteht Express-Zertifikate nicht
Doch es gibt auch Kritik. So deckte die BaFin Mängel auf, insbesondere bei der Zielmarktdefinition für Express-Zertifikate. Rund 20% der Anleger hatten die Funktionsweise nicht vollständig verstanden. Doch bedeutet dies, dass die Produkte verboten werden sollten? Kaum. Der Umgang mit Finanzprodukten setzt Eigenverantwortung voraus. Wer nicht versteht, worin er investiert, sollte sich informieren.
Anleger verlieren Milliarden mit Turbo-Zertifikaten
Noch kritischer der Befund zu den risikoreichen Turbo-Zertifikaten. Beim Handel mit Turbo-Zertifikaten verloren über einen Zeitraum von 5 Jahren drei von vier Kunden im Durchschnitt je 6.358 Euro – insgesamt 3,4 Mrd. Euro. Allerdings gilt auch hier: Risiko und Renditechance gehen Hand in Hand. Wer in spekulative Finanzprodukte investiert, muss sich bewusst sein, dass hohe Gewinne ebenso möglich sind wie Verluste. Eine vollständige Regulierung oder gar ein Verbot wäre kaum gerechtfertigt. Sonst müsste man konsequenterweise auch riskante Einzelaktien oder Kryptowährungen verbieten.
Günstiger als aktiv gemanagte Fonds
Untersucht hat die Aufsicht auch angeblich mangelnde Kostentransparenz von Zertifikaten. Und auch hier zeigen die Studienergebnisse ein differenziertes Bild: Die Kosten für Zertifikate sind gesunken und liegen im Durchschnitt bei 0,81% pro Jahr. Das ist günstiger als mancher aktiv gemanagte Fonds. Zudem müssen alle Kosten gemäß regulatorischer Vorgaben in den Produktinformationsblättern offengelegt werden. Anleger, die sich informieren, können sich also nicht über „versteckte“ Kosten beklagen.
Kein Schutz durch Einlagensicherung
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Emittentenrisiko. Ja, Zertifikate unterliegen keiner Einlagensicherung. Doch das ist kein verborgenes Risiko. Wer Sicherheit will, sollte sein Geld in klassische Sparprodukte mit Einlagensicherung investieren. Doch dort gibt es oft nur minimale Renditen. Die Finanzwelt besteht aus Abwägungen zwischen Sicherheit, Kosten und Ertragschancen. Zertifikate sind hier keine Ausnahme.
Zertifikate sind Werkzeuge
In der Debatte um Zertifikate zeigt sich oft eine Schwarz-Weiß-Malerei: Zertifikate seien schlechte Produkte, ETFs die ultimative Lösung. Doch diese Sichtweise ist naiv. ETFs sind gut für langfristige Anleger, ersetzen aber keine strukturierten Produkte. Zertifikate sind Werkzeuge. Wer sie versteht und gezielt einsetzt, kann profitieren. Die BaFin hat mit ihren Studien eine faktenbasierte Grundlage geschaffen, die zeigt: Zertifikate sind besser als ihr Ruf.