Nagel plädiert für weitere deutliche EZB-Zinsschritte
ms Frankfurt
Bundesbankpräsident Joachim Nagel plädiert eindringlich für weitere deutliche Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) – auch über die für die März-Sitzung bereits avisierte Anhebung hinaus. Zugleich stellt er sich entschieden gegen jegliche Debatte über mögliche Zinssenkungen in absehbarer Zeit. „Es wäre gefährlich zu meinen, dass wir jetzt schon durch sind und das Inflationsproblem erledigt ist“, sagt Nagel im Interview der Börsen-Zeitung. „Wenn wir zu früh nachlassen, besteht die große Gefahr, dass sich die Inflation verfestigt.“
Der EZB-Rat hatte vergangene Woche seine Leitzinsen erneut um 50 Basispunkte und damit auf den höchsten Stand seit Ende 2008 angehoben. Zugleich stellte er für März eine weitere Erhöhung um 50 Basispunkte in Aussicht. Für die Zeit danach hielten sich die Notenbanker aber bedeckt. Diese fehlende Guidance und Aussagen über ausgewogenere Risiken beim Inflationsausblick schürten Marktspekulationen auf einen weniger aggressiven Zinskurs. Teilweise wird sogar auf Zinssenkungen noch dieses Jahr gewettet.
Nagel betont nun, dass der jüngste Rückgang der Inflation erfreulich sei. Mit 8,5% sei sie aber immer noch viel zu hoch. Insbesondere sorgt ihn die anhaltend rekordhohe Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) von zuletzt 5,2%. Diese zeige, „dass sich die Inflation immer mehr durch die Wirtschaft frisst“, so Nagel. „Unser Job ist noch nicht erledigt.“
Entsprechend klar ist seine Botschaft in Sachen Zinsen: „Aus meiner heutigen Sicht braucht es weitere signifikante Zinserhöhungen.“ Das gelte auch über März hinaus. „Wir müssen meines Erachtens die Zinsen darüber hinaus anheben, um die notwendige Bremswirkung zu erreichen, mit der wir die Inflation zügig und nachhaltig auf 2 % zurückführen.“ Das aktuelle Zinsniveau sei aus seiner Sicht noch nicht restriktiv. Folglich hat Nagel auch eine klare Warnung an die Märkte: „Ich würde dringend raten, das jüngste Statement als das zu interpretieren, was es ist: eine robuste Ansage, die über die März-Sitzung hinausweist.“ Diskussionen über sinkende Zinsen hält er für verfrüht: „Zinssenkungen stehen für mich auf absehbare Zeit überhaupt nicht auf der Agenda.“
Bei dem im März beginnenden Abbau der Bilanz des Eurosystems macht sich Nagel keine allzu großen Sorgen. Er spricht sich sogar dafür aus, rechtzeitig zu schauen, wie stark ab Juli das Tempo erhöht werden könne. „Die 15 Mrd. Euro pro Monat dürften da nicht das Ende der Fahnenstange sein.“
Für das laufende und die künftigen Jahre stellt Nagel deutliche Verluste der Bundesbank wegen der hohen Anleihebestände und der raschen Zinswende in Aussicht. Sollten die Belastungen die gebildeten Rückstellungen übersteigen, würden Verlustvorträge gebildet. „Die Bundesbank kommt damit zurecht“, sagt Nagel.
Interview Seite 7