Chemie akquiriert vor der eigenen Haustür
Chemie akquiriert vor der eigenen Haustür
Strategen dominieren das eher moderate M&A-Geschehen − Mehr Transaktionen 2025 erwartet
swa Frankfurt
Das schwierige Marktumfeld dämpft den M&A-Appetit im Chemiemarkt. Abgesehen vom Mega-Deal Covestro gab es 2024 eher kleinere Transaktionen und wenige grenzüberschreitende Käufe. Die notwendige Transformation und der Konsolidierungsdruck in der Branche sollten 2025 für mehr M&A-Aktivität sorgen.
Die Chemieindustrie war 2024 weltweit von der schwachen konjunkturellen Entwicklung gebremst. In Europa belasteten zudem hohe Energiekosten die Rentabilität und verschlechterten die Wettbewerbssituation der in vielen Segmenten zyklischen Industrie.
Die gedrückte Stimmung spiegelt sich in der M&A-Aktivität der Branche. Nach einem bereits verhaltenen Deal-Jahr 2023 hat sich das Transaktionsszenario in den ersten neun Monaten 2024 weiter abgeschwächt, sowohl in der Anzahl der Übernahmen als auch im Wert der Transaktionen.
Top-Deal Covestro
Immerhin gibt es mit der Übernahme des Kunststoffkonzerns Covestro durch die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) anders als im Vorjahr eine große Transaktion im zweistelligen Milliarden-Dollar-Wert. Im Turnus 2023 war das globale Ranking von der Übernahme des US-Chemikalienhändlers Univar für 8,2 Mrd. Dollar angeführt worden. Nach der geplatzten Übernahme durch den Essener Marktführer Brenntag hatte hier die Investmentfirma Apollo zugegriffen.
Anders als 2024 wurden 2023 allerdings noch zwei weitere Deals im Wert von mehr als 5 Mrd. Dollar angekündigt: Der Erwerb des chinesischen Industriegasespezialisten Zhejiang Yingde durch den lokalen Wettbewerber Hangzhou Oxygen für 7,2 Mrd. Dollar sowie die Offerte des Staatsfonds Japan Investment Corp. für den ebenfalls in Nippon ansässigen Halbleitermaterialienspezialisten JSR für 6,3 Mrd. Dollar
Nach einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG wurden die meisten Akquisitionen 2024 wie schon im Turnus 2023 global von strategischen Käufern auf den Weg gebracht. Dabei haben sich die Firmen überwiegend vor der eigenen Haustür umgeschaut und sich Assets in ihrem Heimatmarkt einverleibt, um ihr Portfolio zu verbreitern und ihre Margen zu verbessern. Bei den M&A-Zielen sei ein Trend im Wandel der Geschäftsmodelle zu Nachhaltigkeit zu erkennen. Die Chemie steht wie andere Sektoren unter transformatorischem Druck.
Konsolidierung läuft
Wie für den gesamten M&A-Markt wird auch in der Chemie für 2025 mit einer Belebung des Transaktionsgeschäfts gerechnet. Die Experten der KPMG rechnen mit einer anhaltenden Konsolidierung der chinesischen Chemieanbieter, wachsenden Investitionen in grüne Portfolien und wachsendes Interesse von Private Equity an Spezialchemieunternehmen. In der Spezialchemie sind die Multiples laut KPMG zuletzt zurückgegangen.
Deals mit deutscher Beteiligung sind rar. In den ersten drei Quartalen 2024 ist Covestro allein auf weiter Flur, 2023 schaffte es der Einstieg des Staatsfonds GIC aus Singapur bei Messer auf Platz 10 der Top-Deals. Der BASF-Konzern hat unlängst ein aktiveres Portfoliomanagement angekündigt und die mögliche Trennung von der Sparte Coatings signalisiert − ein Geschäft, dessen Wert auf mehr als 7 Mrd. Euro geschätzt wird.
Kontrollwechsel eingeleitet
Auch hinter den Kulissen der großen Spieler läuft die Konsolidierung. So hat der Carbonsäurespezialist OQ Chemicals Ende 2024 den Verkauf seiner niederländischen Säure-Produktion an die zur malaysischen Petronas-Gruppe gehörende schwedische Perstorp bekanntgegeben.
Bei OQ Chemicals in Monheim ist der omanische Öl- und Gaskonzern OQ seit geraumer Zeit auf dem Rückzug. Abgewickelt werden soll der Kontrollwechsel laut jüngsten Branchendiensten über die Beteiligungsgesellschaft Atlantik Advisors als interimistischer Treuhänder. Das Fusionskontrollverfahren läuft seit Mitte November 2024 beim Bundeskartellamt. Mitte Dezember hat auch die Londoner Investmentgesellschaft Blantyre Capital einen Anteilserwerb bei der deutschen Wettbewerbsbehörde angemeldet.