KommentarEU-Parlament

Von wegen Sternstunde

Endlich bewegen sich Europas große Parteifamilien im Streit um die EU-Kommission aufeinander zu. Es ist auch höchste Zeit.

Von wegen Sternstunde

EU-Parlament

Von wegen Sternstunde

Von Detlef Fechtner

Einiges spricht dafür, dass die großen Parteien im EU-Parlament, Christdemokraten und Sozialdemokraten, ihren unseligen Streit über die Besetzung der Spitzenposten der EU-Kommission nun doch beilegen werden. Zumindest ist mächtig Bewegung in die Verhandlungen gekommen. Dafür ist es indes auch allerhöchste Zeit!

Denn mit ihrem parteitaktisch getriebenen Hickhack haben beide Parteifamilien die Öffentlichkeit vor den Kopf gestoßen. Mancher hat kopfschüttelnd die Frage gestellt, ob Europas Parlamentariern wirklich nichts Besseres einfällt, als leichtfertig den Start der neuen EU-Kommission hinauszuzögern – und das in einer Zeit, in der in Berlin die Koalition zerbrochen ist, in Paris eine schwache Regierung im Amt ist und in Rom eine Ministerpräsidentin am Steuer sitzt, deren Verlässlichkeit als EU-Partnerin niemand belastbar einschätzen kann. Ganz zu schweigen von den Niederlanden und Österreich, wo die Kräfte am rechten Rand maßgeblich an Einfluss auf die nationale Politik gewonnen haben.

Armutszeugnis für das EU-Parlament

Die konkreten Streitpunkte zwischen den Parteien waren zuletzt lächerlich unbedeutend, etwa die Frage, ob Raffaele Fitto „Kommissar“ oder „Vizepräsident“ wird. Die dahinter stehende, eigentliche Kontroverse ist allerdings durchaus politisch erheblich. Denn die Debatte darüber, wie die Parteien der Mitte mit Rechts-Außen-Parteien wie den Brüdern Italiens von Giorgia Meloni umgehen sollen, ist richtig und wichtig. Insofern ist die Koalitionsabsprache, auf die sich Christ- und Sozialdemokraten sowie Liberale gerade aktuell zubewegen, ausgesprochen vernünftig. Diese Vereinbarung wird zwar nicht vergleichbar bindenden Charakter haben wie nationale Koalitionsverträge. Trotzdem ist es gut, wenn die traditionellen Parteien damit zum Ausdruck bringen, miteinander arbeiten zu wollen, um Mehrheiten zu sichern. Auf diese Idee aber erst zu kommen, nachdem man sich tagelang paralysiert und die Kommissions-Kandidaten gegenseitig in Geiselhaft genommen hat, ist enttäuschend. Die Hearings waren einmal eine Sternstunde des EU-Parlaments, dieses Mal waren sie ein Armutszeugnis.

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