GastbeitragUrteil zu Negativzinsen

BGH erklärt Verwahrentgelte für Spar- und Tagesgeldkonten für unzulässig

Nach einer Entscheidung des BGH sind Verwahrentgelte für Spar- und Tagesgeldkonten unzulässig. Betroffene Kreditinstitute müssen sich darauf einstellen, dass Verbraucher Ansprüche auf Rückzahlung von Strafzinsen geltend machen werden.

BGH erklärt Verwahrentgelte für Spar- und Tagesgeldkonten für unzulässig

BGH kippt Verwahrentgelte
für Spar- und Tagesgeldkonten

Kreditinstitute müssen sich auf Rückzahlungsansprüche einstellen

Von Johanna Weißbach
und Florian Korte *)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen vom 4. Februar 2025 entschieden, dass die von verschiedenen Banken und einer Sparkasse gegenüber Verbrauchern verwendeten Klauseln zu Verwahrentgelten – auch bekannt als Negativ- oder Strafzinsen – auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten unwirksam sind.

Aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank mussten zahlreiche Banken und Sparkassen Zinsen auf ihre Einlagen bei Zentralbanken zahlen. Um diese Kosten weiterzugeben, war es jahrelang üblich, Verwahrentgelte zu erheben, wenn Kunden größere Guthaben auf ihren Konten anhäuften. Zum Teil betraf dies bereits Verbraucher mit einem Guthaben von über 5.000 Euro. Aus Marktdaten eines Vergleichsportals geht hervor, dass im Mai des Jahres 2022 mindestens 455 Geldinstitute in Deutschland Verwahrentgelte von ihren Kunden verlangten.

Verbraucherzentralen klagen

Gegen diese Praxis legten die Verbraucherzentrale Sachsen, die Verbraucherzentrale Hamburg und der Verbraucherzentrale-Bundesverband in den Jahren 2021 und 2022 Klagen ein. Sie klagten auf Unterlassung und Teilrückzahlung der erhobenen Entgelte sowie auf Auskunft über die betroffenen Verbraucher.

Der BGH hat nun klargestellt, dass Banken und Sparkassen grundsätzlich keine Verwahrentgelte für Guthaben auf Spar- und Tagesgeldkonten erheben dürfen. Diese Konten seien ausdrücklich dafür gedacht, Guthaben anzuhäufen. Die Berechnung von Verwahrentgelten führe dazu, dass dieser Hauptleistungszweck des Vertrages entgegen Treu und Glauben verändert werde. Nach dem BGH bestehe eine berechtigte Erwartung der Kunden, ihr Vermögen durch die Anlage nicht zu verringern. Die Negativzinsen hielten daher einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht stand, da sie Verbraucher unangemessen benachteiligten.

Für Girokonten erlaubt

In Bezug auf Girokonten kam der BGH jedoch zu einem anderen Schluss: Hier seien Verwahrentgelte für höhere Geldbeträge grundsätzlich zulässig. Der Unterschied zu Tagesgeldkonten und Spareinlagen liege darin, dass Girokonten nicht primär dem Aufbau von Vermögen, sondern der Abwicklung des Zahlungsverkehrs dienten. Kunden könnten gerade nicht darauf vertrauen, dass Guthaben auf Girokonten regelmäßig positiv verzinst werden.

Der BGH stellt die Wirksamkeit der Klauseln gleichwohl unter bestimmte Voraussetzungen: Die Vertragsklauseln, auf deren Grundlage die Verwahrentgelte erhoben werden, seien transparent zu gestalten. Das war in den fraglichen Verfahren nicht der Fall, sodass der BGH auch diese Klauseln für unwirksam befand.

Der BGH führte aus, dass die entsprechenden Vertragsklauseln die Kunden nicht ausreichend darüber informierten, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt beziehe. So fehlten insbesondere Regelungen dazu, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen sollte und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze zu berücksichtigen seien. Gerade bei Girokonten, über die bestimmungsgemäß täglich zahlreiche Zahlungen abgewickelt werden, könne der Kontostand sich täglich mehrfach ändern. Ein konkreter Bemessungszeitpunkt sei daher unerlässlich.

Die am Verfahren beteiligten unterlegenen Banken müssen die unrechtmäßig erhobenen Gebühren jedoch nicht, wie von den klagenden Verbraucherzentralen gefordert, direkt an die Kunden zurückzahlen. Der BGH kam zu dem Schluss, dass den Verbraucherzentralen nach dem Unterlassungsklagengesetz ein solcher Anspruch nicht zustehe. Auch einen Anspruch auf Auskunft über die betroffenen Verbraucher gebe es nicht. Somit bleibt es den einzelnen Verbrauchern überlassen, ihre Betroffenheit zu prüfen und die gegebenenfalls unrechtmäßig erhobenen Gebühren zurückzufordern.

In dem letzten der vier Verfahren entschied der BGH zudem über Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Bank zur Forderung eines Entgelts für die Ausstellung einer Ersatz-Karte und einer Ersatz-PIN berechtigten. Auch diesen Klauseln erteilte der BGH eine Absage: Sie scheiterten ebenso an der Transparenzkontrolle, da die Fallkonstellationen, in denen ein Entgelt verlangt werden konnte, nicht klar genug umrissen seien.

Musterbrief für Betroffene

Betroffene Kreditinstitute müssen sich darauf einstellen, dass Verbraucher Ansprüche auf Rückzahlung der Verwahrentgelte geltend machen werden. Die Verbraucherzentralen stellen auf ihren Internetseiten bereits einen Musterbrief zur Rückforderung der gezahlten Entgelte bereit und bieten Beratung an.

Auch einzelne Anwaltskanzleien werben online bereits um potenzielle Mandanten. Rückzahlungsansprüche könnten auch mittels einer sogenannten Abhilfeklage geltend gemacht werden. Eine Abhilfeklage wird durch eine qualifizierte Einrichtung, beispielsweise eine Verbraucherzentrale, erhoben. Betroffene Verbraucher und kleine Unternehmen können sich im Anschluss für die Teilnahme an der Abhilfeklage registrieren.

*) Johanna Weißbach ist Partnerin im Bereich Prozessführung bei Pinsent Masons in München. Florian Korte ist Associate in ihrem Team in Düsseldorf.

Johanna Weißbach ist Partnerin im Bereich Prozessführung bei Pinsent Masons in München. Florian Korte ist Associate in ihrem Team in Düsseldorf.