Aktienanleger stehen auf der Bremse
Die zuletzt schwungvolle Erholung des Dax ist zunächst vorüber. Der leichte Rückschlag vom Vortag ging am Donnerstag weiter. Gegen Mittag verlor der deutsche Leitindex 0,7% auf 12.660 Zähler. Der EuroStoxx50 gab 0,3% nach, für den MDax ging es um 0,17% bergab.
Am Vorabend war der Erholungsschwung auch an den US-Börsen zunächst zu Ende gegangen. Hinzu kamen am Donnerstag neue Inflationssignale aus Deutschland. So bleibt der Preisauftrieb auf Herstellerebene auf Rekordniveau. Im September stiegen die Produzentenpreise im Jahresvergleich um 45,8%.
„Die Stimmung an den Finanzmärkten bleibt fragil“, schrieben am Morgen die Experten der Landesbank Helaba. Die jüngste Erholungsrally hatte den Dax binnen vier Handelstagen von 12.000 Punkten bis in die Nähe der 13.000-Punkte-Marke geführt, in der Spitze war dies ein Anstieg um fast 8%. „In der Zone um 12.900 Punkte ist der Dax allerdings in einen wichtigen Widerstandsbereich gestoßen, der nicht so einfach überwunden werden kann“, so die Landesbank. Einen neuen Test dieses Bereichs wollen die Experten aber nicht ausschließen.
Anleihen aus den Depots geworfen
Auch an den europäischen Bondmärkten warfen die Anleger in Erwartung weiterer Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank Anleihen aus den Depots. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen stieg im Gegenzug um achteinhalb Basispunkte auf 2,453% und stand so hoch wie seit August 2011 nicht mehr. Die zweijährigen Papiere rentierten mit 2,158% auf dem höchsten Stand seit Ende 2008.
An den Rohstoffmärkten zogen die Ölpreise an. Ein Fass der Nordseesorte Brent verteuerte sich um 1,3% auf 93,58 Dollar. Für Erleichterung sorgte ein Medienbericht, wonach China seine Quarantäne-Regeln für Besucher lockern könnte. Der weltweit größte Rohölimporteur gibt zur Pandemie-Eindämmung strenge COVID-19-Beschränkungen vor, was die Konjunktur bremst und die Nachfrage nach Kraftstoff senkt.
Bärenmarkt-Rally
Was die Einordnung der vergangenen Erholung am Aktienmarkts angeht, so sehen Charttechniker in dem jüngsten Anstieg bislang nur eine „Bärenmarkt-Rally“, also eine schwungvolle, aber nur vorübergehende Erholung in einem zuvor tief gefallenen Markt. Schließlich war es dem Dax auch nicht gelungen, die 50-Tage-Linie nachhaltig zu überwinden, die als Gradmesser für den mittelfristigen Trend gilt. „Das Muster ähnelt sehr stark dem der beiden Bärenmarkt-Rallys im August und Oktober diesen Jahres“, erwähnte Martin Utschneider von der Privatbank Donner & Reuschel.
Berichtssaison geht weiter
Die Berichtssaison beschäftigt die Anleger weiterhin, sowohl in Europa als auch in den USA. Experten zufolge steht sie besonders im Fokus, um zu sehen, wie die Unternehmen mit der derzeit kritischen Situation klarkommen. Bislang wurde ein erfreuliches Fazit gezogen, doch mit dem US-Elektroautobauer Tesla gibt es nun auch ein Unternehmen, das mit einem enttäuschenden Umsatz Fragen aufwirft.
Bereits am Vorabend hatte die Deutsche Börse nach Börsenschluss Quartalszahlen vorgelegt. Die Papiere verloren nun 2,7% an Wert, obwohl der Börsenbetreiber Experten zufolge die Erwartungen übertraf und seine Prognose erneut nach oben geschraubt hat. Anleger haben viel Gutes schon vorweggenommen: Die Papiere sind in diesem Jahr der drittgrößte unter lediglich fünf Gewinnern im Dax.
Kurseinbrüche bei Nokia und Ericsson in Folge enttäuschender Zahlen sorgten im Telekommunikations-Sektor für schlechte Stimmung. Die Nokia-Aktien verloren 4,8%, Ericsson-Papiere stürzten um 14,7% ab. Beide Telekom-Ausrüster kämpfen trotz einer robusten Nachfrage mit sinkenden Gewinnmargen und verdienten weniger als von Analysten erwartet.
Mehr als 3% abwärts ging es zeitweise für die Anteilsscheine von Uniper. Der vor der Verstaatlichung stehende Energiekonzern könnte einem Bericht des Handelsblatt zufolge bis zu 40 weitere Milliarden Euro benötigen. Die Tochter des finnischen Versorgers Fortum ist durch die explodierenden Gaspreise in Schieflage geraten und schreibt Milliardenverluste. Fortum-Aktien lagen 0,6% tiefer.
Die geplante Sonderdividende von Yara erfreute hingegen die Anleger. Die Aktien des norwegischen Düngemittelherstellers sprangen um 4,6% nach oben. Das lieferte auch den Titeln des deutschen Rivalen K+S Rückenwind, die 3,5% zulegten und zweitstärkster Wert im Nebenwerteindex MDax waren.
Auch Aktien von Swedish Match stiegen in Stockholm um 1,8%, nachdem Philip Morris sein Übernahmeangebot für den Hersteller von Nikotinprodukten erhöht hatte
Neue Analystenempfehlungen
Einige positive Ausnahmen resultierten aus Analystenempfehlungen. Die Aktien von Bechtle etwa legte 1,4% zu nach einer Hochstufung durch die Investmentbank Oddo BHF. In Zeiten des konjunkturellen Gegenwinds und massiver Gewinnwarnungen in der Branche erweise sich das Geschäftsmodell des IT-Dienstleisters als relativ widerstandsfähig, hieß es in der Studie.
Einen ähnlichen Status vergeben die Oddo-Experten auch dem Industriedienstleister Bilfinger, dessen Papiere um 2,9% anzogen wegen einer positiven Erstbewertung. Analystin Virginie Rousseau gibt sich dank der Positionierung bei Themen wie Effizienzsteigerung und Digitalisierung in einer Rezession vergleichsweise optimistisch.
Besonders deutlich um 7% hochgetrieben wurde derweil die Stratec-Aktie nach einer Kaufempfehlung von Hauck & Aufhäuser. Analyst Alexander Galitsa sieht es nach einer Kurskorrektur als nicht gerechtfertigt an, dass die Bewertung des Diagnostikspezialisten im Vergleich zu der Zeit vor Corona wieder im unteren Bereich angekommen ist.
Ein anderer Gewinner waren im Umfeld generell gefragter Rüstungsaktien die Titel von Rheinmetall, die sich mit einem Anstieg um 4,7% über die zuletzt umkämpfte 21-Tage-Linie vorwagten. Diese ist unter charttechnisch orientierten Anlegern ein beliebter mittelfristiger Indikator.
Im Dax fielen zwei Werte aus dem Gesundheitssegment positiv auf: Knapp vor Siemens Healthineers erklomm Sartorius im Leitindex mit einer Erholung um 1,9% die Indexspitze. Sie zeigten damit eine kleine Gegenreaktion, nachdem sie am Vortag wegen sehr enttäuschender Quartalszahlen heftig um 18,5% abgerutscht waren.