Europas Börsen stabilisieren sich
Nach dem mauen Wochenauftakt wagen sich die Anleger an den europäischen Aktienmärkten vorsichtig aus der Deckung. Der Dax erholte sich bis zum Mittag um 0,5% auf 15.118 Punkte; der EuroStoxx50 zog 1% auf 4036 Zähler an. Allerdings blase den Marktteilnehmern ein rauer Wind ins Gesicht, sagte Christian Henke, Analyst vom Brokerhaus IG. „Die steigende Inflation schürt die Ängste vor einem baldigen Eingreifen der US-Notenbank. Eine baldige Zinserhöhung wird zunehmend wahrscheinlicher.” Zusätzlich belaste der anziehende Ölpreis die Märkte.
Energiepreise im Fokus: Der Ölpreis zog weiter an, nachdem die großen Öl-Förderländer die Ausweitung der Förderquoten trotz des Preisdrucks nicht beschleunigen wollen. „Einige hatten geglaubt, dass die Opec+ die Produktion etwas stärker als im Sommerplan vorgesehen anheben oder die Produktionssteigerung im Dezember vorziehen könnte, indem sie sie in den November verlegt, aber das Kartell hielt sich an das Drehbuch”, sagte Neil Wilson, Analyst beim Online-Broker Markets.com.
Der Verzicht auf eine stärkere Rohöl-Förderung trieb die Sorte Brent weiter um knapp 1% auf 81,89 Dollar an. US-Öl WTI verteuerte sich um rund 0,5% auf 78,03 Dollar je Barrel (159 Liter). Nach der Bekanntgabe der Entscheidung der Opec+ war der Ölpreis am Montag auf ein Drei-Jahres-Hoch gesprungen. Das Kartell habe das Öl-Angebot fest im Griff und die Zahl der US-Bohrinseln reiche nicht aus, um die überschüssige Nachfrage zu decken, betonte Wilson. „Der Markt wird also noch eine Weile angespannt bleiben – zumindest bis weit ins Jahr 2022 hinein.”
„Dass aufgrund der Energiekrise nun die globalen Wachstumsprognosen nach unten korrigiert werden, ist somit folgerichtig”, sagte Konstantin Oldenburger, Analyst vom Handelshaus CMC Markets. „Mehr als alles andere sind wir über die Auswirkungen der Stagflation (Anmerkung der Redaktion: eine Mischung aus Stagnation und Inflation) auf die allgemeinen Indizes besorgt, die sehr hoch sind”, sagte auch Giuseppe Sersale, Fondsmanager bei Anthilia. Vor diesem Hintergrund warteten Anleger mit Spannung auf den am Freitag anstehenden US-Arbeitsmarktbericht, von dem sie weitere Hinweise auf die künftige Geldpolitik der US-Notenbank Fed erhofften.
Banken gefragt: Die Aussicht auf eine frühzeitigere Straffung der geldpolitischen Zügel setzte Staatsanleihen in der Eurozone unter Druck. Im Gegenzug zog die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihe leicht auf minus 0,214% an. Das sind ganze 30 Basispunkte mehr als noch vor zwei Monaten.
Die Aussicht auf steigende Zinsen ließ Anleger zu Bankaktien greifen. Der entsprechende Branchenindex legte knapp 2% zu. Die Aktien der Banken Unicredit, Credit Agricole sowie Lloyds zogen zwischen 2 und 3,3% an. Zuvor hatte auch der US-Bankenindex ein Rekordhoch erzielt. „Zinssensitive Bankaktien erhalten Auftrieb, da die Anleger beginnen, eine Zinserhöhung ernsthaft einzupreisen”, sagte Danni Hewson, Finanzanalystin bei AJ Bell.
Dagegen setzte sich der Ausverkauf bei Technologie-Aktien an den Börsen in den USA und Asien an den europäischen Märkten nicht weiter fort. Für Beruhigung sorgte der Ausblick des Halbleiterherstellers Infineon. Die Ziele für das kommende Jahr seien besser als erwartet, sagte ein Händler. Die Titel des Münchener Konzerns legten knapp 3% zu. Auch die zuletzt unter Druck geratenen Papiere von Hellofresh zogen an und lagen mit einem Plus von knapp 5% an der Dax-Spitze.
Die Aktien von Shop Apotheke schossen rund 9% nach oben, nachdem die Online-Apotheke besser als befürchtete Zahlen vorgelegt hat. Die Aktien werde nun durch Leerverkäufer nach oben getrieben, die auf fallende Kurse gesetzt hätten und nun zukaufen müssten, sagte ein Händler. Um bis zu 12,8% nach unten ging es dagegen für Grenke. Wegen globaler Lieferengpässe korrigierte der Konzern den Ausblick für das Leasingneugeschäft für das laufende Geschäftsjahr nach unten.