Björn Glück

„Nebenwerte sind ein Paradies für Stock Picker“

Interview mit Björn Glück, Portfoliomanager des Lupus alpha Smaller German Champions, zu dem Erfolgsgeheimnis seines Fonds und warum gerade Nebenwerte für Investoren sehr viele Chancen bieten.

„Nebenwerte sind ein Paradies für Stock Picker“

Herr Glück, Sie haben mit Ihrem Smaller German Champions langfristig hervorragend abgeschnitten und vergleichbare Produkte sowie Ihre Benchmark deutlich geschlagen. Gibt es ein Erfolgsrezept?

Nein, das Erfolgsrezept schlechthin gibt es nicht. Was man haben muss, um diesen Job erfolgreich auszuüben, ist Leidenschaft für Aktien und die Assetklasse deutsche Aktien. Das habe ich. Über all die Jahre ist mein Beruf zum Hobby geworden, so wie ich früher leidenschaftlich Fußball gespielt habe. Neugierig muss man sein, und man muss vom Denken her sehr offen sein. Es wird ja oft extrapoliert, aber man sollte erkennen, wann Wendepunkte bei einem Unternehmen vorliegen. Die zu entdecken, das macht dann am meisten Spaß. Und man darf, glaube ich, nicht zu gierig sein.

Was macht den besonderen Reiz von Nebenwerten und deutschen Small Caps aus? Bietet dieses Segment besondere Chancen für aktives Management?

Nebenwerte, egal ob das nun deutsche, europäische oder amerikanische sind, sind ein Paradies für Stock Picker. Weil das Feld sehr breit ist, gibt es ein Riesen-Universum. Ich schaue auf den deutschen Markt, und der gefällt mir sehr gut. Er ist groß genug, und man hat hier einen schönen Teich zum Fischen. Und entgegen der landläufigen Meinung ist er nicht nur industrielastig, sondern bietet auch Chancen im Konsum- und Tech-Bereich. Im internationalen Vergleich sticht Deutschland heraus, weil bei uns der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft ist und gerade da viele Perlen beheimatet sind. Übrigens auch in den sogenannten alten Industrien, auch da gibt es etliche gute Unternehmen.

Wie wählen Sie Einzelwerte für Ihren Fonds auf, worauf achten Sie?

Ich entscheide wirklich immer von Einzelfall zu Einzelfall und habe kein festes Schema, das ich strikt durchgehe. Denn jede Firma muss anders behandelt werden, man kann einen Zykliker nicht bewerten wie ein Start-up-Unternehmen. Zykliker muss man über den Zyklus bewerten, bei Start-ups muss man einen sehr langen Blick in die Zukunft werfen und eher visionär denken. So haben wir es zum Beispiel bei Hellofresh gehalten. Wir haben ihnen eine starke Stellung in der Nische zugetraut, und unsere kühnsten Erwartungen wurden noch übertroffen. Die machen das einfach besser als andere Unternehmen. Das ist ein wichtiger Faktor, worauf ich achte: Machen die das besser als die Konkurrenz?

Auf welche Kennzahlen schauen Sie?

Dividenden sind für mich kein Kriterium, ich achte viel auf freien Cash-flow und den Return des eingesetzten Kapitals. Die Bewertung als solche hat an Bedeutung abgenommen, was an dem seit zehn Jahren rückläufigen Zins liegt. Da muss man als Portfoliomanager flexibel sein und das Zinsniveau miteinbeziehen. Was früher ein 40er Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) war, da haben wir heute ein 70er KGV wie bei langfristigen Wachstumswerten wie Sartorius oder Nemetschek. Die hätte ich vor zehn Jahren bei solch einer Bewertung sicherlich verkauft, das wäre im jetzigen Zinsumfeld aber ein Fehler. Insofern gilt es auch hier, flexibel zu sein. Value hat zuletzt an Bedeutung verloren, was sich aber auch wieder ändern kann, wenn wir dauerhaft ein inflationäres Umfeld bekommen. Auf Buchwerte zu setzen, hat in den letzten fünf Jahren nicht funktioniert, da konnte man keinen Blumentopf mit gewinnen.

Wie wichtig sind die Kontakte zu den Unternehmen und Gespräche mit dem Management?

Enorm wichtig, das habe ich in den vergangenen 16 Jahren gelernt. Ohne ein gutes Management kann kein Unternehmen auf Dauer erfolgreich sein. Ich führe im Jahr etwa 400 Gespräche mit rund 250 Firmen. Die meisten Firmenchefs sehe ich zweimal im Jahr, manchmal auch dreimal. Da merkt man sofort, ist das konsistent, was die erzählen. So bekommt man dann ein gutes Gefühl für die Unternehmen. Und die Firmen, die von guten Managern geführt werden, die setzen sich durch, und da muss man sich auch keine Sorgen über die langfristige Kursentwicklung machen.

Bevorzugen oder meiden Sie bestimmte Branchen in Ihrem Fonds?

Auch da versuche ich flexibel zu sein. Ich habe keine Lieblingsbranchen. In den klassischen deutschen Industrien wie Maschinenbau, Autozulieferer und auch Chemie fühle ich mich sehr zu Hause, da findet man eine Menge guter Firmen. Was wir natürlich auch immer suchen, sind gut positionierte Technologietitel wie zum Beispiel eine Nemetschek, Sartorius oder Jenoptik. Tech habe ich meistens übergewichtet. In Immobilienwerten bin ich weniger investiert, deren Kurse sind vor allem vom Zinsniveau abhängig. Vor einigen Jahren war ich hier etwas stärker investiert, als diese Titel gemessen am Zinsniveau relativ günstig bewertet waren.

Ist ein früher Einstieg in eine Unternehmensstory vorteilhaft?

Bei börsennotierten Titeln unterhalb des SDax versuche ich oft fündig zu werden. Wenn ich das Gefühl habe, diese Firmen können groß werden, investiere ich da sehr gerne. Das sind Unternehmen, die eine lange Reise antreten können, im besten Fall kann sie bis in den MDax oder Dax führen. Hypoport ist so ein Super-Beispiel. Eine Eckert & Ziegler haben wir unterhalb des SDax gekauft. Bei Hellofresh waren wir beim IPO dabei, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Bei Zalando auch. Wenn uns ein Unternehmen überzeugt, steigen wir auch zum IPO ein. Natürlich können gerade IPOs gefährlich sein. Man kennt das Management noch nicht. Bei einem Börsengang kommt es auf die Plausibilität an. Wenn nur ein Alteigentümer Kasse machen will, sind wir nicht dabei.

Wie wichtig ist die Indexzugehörigkeit eines Unternehmens oder ein möglicher Aufstieg eines Unternehmens in einen bestimmten Index für Sie?

Die Indexzugehörigkeit spielt eine untergeordnete Rolle. MDax- und SDax-Werte schaue ich mir am genauesten an. Das ist unser Fischteich, den wir auch über unsere Benchmark definiert haben. Ich suche aber auch links und rechts vom Index. Am schönsten ist es, wenn man Firmen findet, die noch sehr klein sind, aber großes Potenzial haben.

In wie viele Aktien investieren Sie für gewöhnlich in Ihrem Fonds, und wie gewichten Sie einzelne Titel?

Ich habe meistens schon 70 Titel im Portfolio und achte darauf, im gesamten Portfolio auch noch bewegungsfähig zu sein. Nicht zuletzt auch, um umschichten zu können, wenn ich von einem Wert nicht mehr überzeugt bin. Entsprechend liegen die Gewichtungen der einzelnen Werte im Schnitt bei rund 1,5 % des Fonds. Die Top-Ten-Positionen liegen meistens über 2 % und manchmal auch über 3 %. Dies ist dann manchmal auch auf Kursgewinne zurückzuführen.

Wie lange halten Sie Einzelwerte, und wann verkaufen Sie?

In Einzelfällen halte ich einen Titel auch mal zehn Jahre und mehr. Die Haltedauer über mehrere Kauf- und Verkaufszyklen liegt im Schnitt bei etwa 1 000 Tagen. Wobei sich die Gewichtungen durchaus ändern. Komplett verkaufen, das mache ich oft bei Zyklikern, da muss man sehr diszipliniert sein. Zykliker kauft man am besten nach Gewinnwarnungen, wenn sie günstig bewertet erscheinen, ist es meist besser, sie zu verkaufen.

Wie wichtig ist eine nachhaltige Ausrichtung eines Unternehmens für Sie?

Mir kommt es auf ein nachhaltiges, weil tragfähiges Geschäftsmodell an. Da gehören die ESG-Themen natürlich auch dazu. Nicht nachhaltige Unternehmen, die die Umwelt schädigen, bergen Risiken und sind auf Dauer nicht erfolgreich.

Was müssen Fondsinvestoren im Nebenwertesegment beachten, es gibt ja auch zwischenzeitlich immer einmal größere Rückschläge für Small Caps?

Häufig führen Liquiditätsebbe und -flut in diesen Titeln zu einer höheren Volatilität, weniger das operative Geschäft, das schwankt bei Blue Chips vielleicht sogar stärker. Daher sollten Investoren einen langen Atem haben. Nach Rückschlägen honoriert die Erholung dann sehr stark die Geduld der Anleger. Das hat sich in der Vergangenheit jedes Mal gezeigt.

Sind Sie selbst in Ihrem Fonds investiert?

Ja. Ich bin überzeugt von dieser Assetklasse und dem, was ich mache. Für mich ist das der beste und aus Compliancegründen fast der einzige Weg, um in deutsche Nebenwerte zu investieren.

 

Das Interview führte Werner Rüppel.