Verkauf von Siltronic gescheitert
Der milliardenschwere Verkauf des Münchner Chip-Zulieferers Siltronic nach Taiwan ist geplatzt. Der Siltronic-Konkurrent GlobalWafers bekam nicht rechtzeitig die Freigabe durch das Bundeswirtschafts- und Klimaministerium für die knapp 4,4 Mrd. Euro schwere Übernahme, die nach dem Außenwirtschaftsgesetz notwendig gewesen wäre. Eine Sprecherin des Ministeriums begründete dies in der Nacht zum Dienstag mit Zeitnot: „Es konnten nicht alle notwendigen Prüfungsschritte im Rahmen der Investitionsprüfung abgeschlossen werden – das betrifft insbesondere die Prüfung der erst in der letzten Woche erfolgten kartellrechtlichen Genehmigung durch die chinesischen Behörden.” GlobalWafers könne aber einen neuen Anlauf nehmen.
„Dann wird die Investitionsprüfung selbstverständlich erneut vorgenommen”, sagte die Sprecherin. Doch ob GlobalWafers das will, ist fraglich. Vorstandschefin Doris Hsu hatte klargemacht, dass sie bei einem Scheitern anderswo investieren werde – wohl außerhalb Europas.
Die Prüfung hatte sich seit Ende 2020 hingezogen. GlobalWafers hatte sich in einem langen Poker mit den Siltronic-Aktionären gut 70% an der Münchner Firma gesichert. Doch die Genehmigung der chinesischen Kartellbehörde traf erst in der vergangenen Woche ein. Dabei machte diese unter anderem zur Auflage, dass GlobalWafers einen Teil der dänischen Tochter Topsil abspaltet, um den Wettbewerb auf dem Markt für 8-Inch-Siliziumscheiben (Wafer) für die Chip-Produktion nicht zu behindern.
Siltronic ist damit die mit Abstand größte Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen, die am Außenwirtschaftsgesetz scheitert. An der Börse wurde längst mit einem Scheitern gerechnet. Die Siltronic-Aktie schloss am Montag bei 116 Euro, rund ein Fünftel unter dem Angebot von GlobalWafers von 145 Euro.
Als Grund für die lange Dauer wurde im Ministerium darauf verwiesen, dass die Außenwirtschaftsverordnung und Übernahmen in besonderen Technologiebereichen eine genaue Prüfung verlangten. Maßstab sei die voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit Deutschlands oder anderer EU-Mitgliedstaaten. Bei Hoch- und Zukunftstechnologien müsse besonders genau geprüft werden. Dazu zählen etwa Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik und Halbleiter. An die Chipindustrie liefern Wafer-Hersteller wie Siltronic die Siliziumscheiben, auf denen die Halbleiter produziert werden. Der Chip-Notstand in der Corona-Pandemie hatte gezeigt, wie abhängig Europa von asiatischen Anbietern ist. Siltronic ist unter den fünf größten Siliziumscheiben-Herstellern der einzige aus Europa. GlobalWafers wollte mit der Übernahme zum weltweiten Marktführer Shin-Etsu Chemical aus Japan aufschließen. Die Taiwaner verweisen darauf, mehr Wafer an europäische Kunden zu liefern als Siltronic. Die Münchner produzieren zwar im bayerischen Burghausen sowie im sächsischen Freiberg, haben ihre größten Produktionsanlagen aber in Singapur. Siltronic-Großaktionär Wacker Chemie entgehen durch das Scheitern Einnahmen von 1,2 Mrd. Euro aus dem Verkauf.
EU will Halbleiterbranche mit Milliarden fördern
Deutschland hatte das Außenwirtschaftsrecht schon vor dem Regierungswechsel verschärft. Der neue Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits im Dezember betont, dass Deutschland und Europa einen wachsenden Anteil an Mikroelektronik selbst produzieren müssten. Die EU-Kommission will im Februar ihren „Chips Act” vorlegen und die Branche mit zweistelligen Milliardensummen fördern. „Es würde nicht in die Zeit passen, etwas aus dem Halbleiterbereich nach Asien zu verkaufen”, sagt ein Branchen-Experte. Die Investitionspläne ausländischer Investoren landen immer häufiger auf dem Tisch des Wirtschaftsministeriums. Von 2018 bis 2020 hatte sich die Zahl der Prüfungen auf 160 verdoppelt. 2021 schoss die Zahl der Prüfverfahren dann auf 306 in die Höhe.