Ekosem

Agrarbaron Dürr in Nöten

Der Agrarunternehmer Stefan Dürr steht mit dem Rücken zur Wand. Er hat einen der größten Landwirtschaftsbetriebe Russlands aufgebaut, doch der Angriff auf die Ukraine stellt sein Lebenswerk in Frage.

Agrarbaron Dürr in Nöten

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Für den Agrarunternehmer Stefan Dürr, der in seiner Wahlheimat Russland lebt, kommt es knüppeldick. Für seine Ekosem-Agrar, die ihren Sitz in Walldorf hat, sieht es ziemlich duster aus. Erst bedrohte ein Finanzierungsstreit mit der russischen Landwirtschaftsbank die hoch verschuldete Firmengruppe, nun der russische Einmarsch in die Ukraine. Der Wirtschaftsprüfer EY hat noch immer kein Testat unter die Bilanz für das Geschäftsjahr 2020 gesetzt, weil die Prüfarbeiten aktuell nicht abgeschlossen werden können. Und die Kurse der in Deutschland notierten Mittelstandsanleihen befinden sich im freien Fall.

Wie es mit dem Unternehmen weitergeht, ist völlig unklar. Viel spricht dafür, dass auch die Verantwortlichen derzeit kaum zuverlässig dazu Auskunft geben können.

Ekosem ist die deutsche Holding der Ekoniva-Gruppe, nach eigenen Angaben größter Milchproduzent Russlands. Die Gruppe kontrolliert 630 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, hält 216 000 Rinder, davon 112 000 Milchkühe mit einer täglichen Leistung von 3100 Tonnen Rohmilch, und zählt sich zu den führenden Saatgutherstellern Russlands. Gründer und Vorstand des Unternehmens ist Dürr, der seit gut 30 Jahren in der russischen Landwirtschaft unterwegs ist. Er hält laut Homepage 58,8% an Ekosem. Die restlichen 41,2% gehören Managern, Mitarbeitern und Investoren.

Eigentlich wollte der 1964 in Eberbach geborene Dürr den Hof der Familie im Odenwald weiterführen. Doch daraus wurde nichts. Als junger Mann kam er 1989 – nach Firmenangaben als erster westeuropäischer Trainee – nach Russland. Der Praktikant stieg zum einflussreichen Berater auf und wurde Agrarunternehmer. 1994 rief er unter Begleitung des Bundeslandwirtschaftsministeriums den deutsch-russischen agrarpolitischen Dialog ins Leben, beriet dann Agrarausschüsse des Föderationsrats und der Staatsduma und stieg 1998 in den Handel mit Landmaschinen ein. 2002 kaufte Dürr, der die russische Staatsbürgerschaft hat, seinen ersten landwirtschaftlichen Betrieb. Im Oktober 2009 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für Verdienste um die deutsch-russischen Beziehungen in der Landwirtschaft.

Heute mag diese Ehrung in anderem Licht erscheinen als damals. Denn der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hat die politische Großwetterlage fundamental verändert. Dürrs Lebenswerk erscheint ernsthaft gefährdet, sowohl unternehmerisch als auch mit Blick auf den deutsch-russischen Dialog. Zwar läuft das operative Geschäft weiter. Die Gruppe beliefert primär den heimischen, also den russischen Markt und finanziert sich großteils aus Russland heraus. Doch ein Teil der Verbindlichkeiten entfällt auf in Euro emittierte Anleihen.

Prognose ausgesetzt

Was aus diesen Bonds wird, steht in den Sternen. Westliche Sanktionen, russische Gegenmaßnahmen, mögliche künftige Beschränkungen und der Absturz des Rubel-Kurses sorgen für riesige Verunsicherung am Kapitalmarkt. Investoren zweifeln, ob das Unternehmen in der Lage wäre, Finanzmittel aus Russland herauszuschaffen, um Zinsen auf deutsche Bonds zu zahlen. Obendrein verlieren die in Rubel erwirtschafteten Einnahmen nach Umrechnung in Euro drastisch an Wert.

Die Prognose für 2022 musste Dürr bereits aussetzen. Grund sind die aus Sanktionen und russischen Maßnahmen resultierenden Unwägbarkeiten für das operative Geschäft und die Finanzierungsmöglichkeiten. Wenigstens ist es Dürr gelungen, den Streit mit der Landwirtschaftsbank (Rosselkhozbank, RSHB) zu entschärfen. Es sei eine grundsätzliche Einigung über die Weiterfinanzierung der Gruppe erzielt worden, verkündete Ekosem im Dezember. Die Bank hatte versucht, sich über Optionen die Mehrheit an russischen Tochtergesellschaften zu schnappen.

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