Im PortraitEmpion-Gründerin Annika von Mutius

Auf Date-Night mit der Co-Gründerin

Vor gut zwei Jahren hat Annika von Mutius mit ihrer Kommilitonin Larissa Leitner das Unternehmen Empion gegründet, gerade haben sie den ersten Zukauf gestemmt. An ihrer Beziehung arbeiten die Co-Gründerinnen wie an einer Partnerschaft – regelmäßige Date-Nights inklusive.

Auf Date-Night mit der Co-Gründerin

Auf Date-Night mit der Co-Gründerin

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Vor einem Unternehmenskauf ist eine Due Diligence selbstverständlich. Und vor einer Gründung? Wie genau nimmt man den Co-Gründer unter die Lupe? Im Fall der Empion-Gründerinnen Annika von Mutius und ihrer Mitgründerin Larissa Leitner fiel die Probephase kurz und intensiv aus: „Wir kannten uns fast gar nicht“, sagt Annika von Mutius.

Die 31-Jährige und ihre drei Jahre ältere Geschäftspartnerin trafen sich an der WHU in Vallendar, wo beide an ihrer Promotion arbeiteten. Leitner forschte über Unternehmenskultur in mittelständischen Betrieben, von Mutius entwickelte Individualisierungsmodelle für Daten. Ihr 2022 gegründetes Start-up Empion kombiniert beide Ansätze. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz bringt die Empion-Technologie Bewerber und Unternehmen auf Basis von Unternehmenskultur und Wertvorstellungen zusammen. Dafür werden Angaben aus einem Fragebogen zur Unternehmenskultur mit Bewerberdaten abgeglichen. Die Idee: „Ein Bewerber, der sich mit der Unternehmenskultur wohlfühlt, bleibt mit höherer Wahrscheinlichkeit auch lange im Unternehmen“, erklärt von Mutius.

Klare Arbeitsteilung

Heute haben die Co-Gründerinnen eine klare Arbeitsteilung: Leitner betreut vorwiegend die internen Themen, von Mutius kümmert sich stärker um Außentermine und den Kontakt zu Kunden. Ein eigenes Unternehmen zu gründen war für die 31-Jährige allerdings kein langgehegter Wunsch, auch wenn sie selbst aus einer Unternehmerfamilie kommt. Nach dem Studium promovierte sie in Mathematik. „Aber das allein wurde mir dann zu akademisch“, sagt sie. Für vier Jahre heuerte sie als Head of Product bei Multiply Labs in San Francisco an und schnupperte Start-up-Luft im Silicon Valley. „Ich war damals eine der ersten Beschäftigten und konnte sowohl die Technologie als auch das Unternehmerische hautnah miterleben, das war total inspirierend.“

Larissa Leitner (links) und Annika von Mutius haben Empion gemeinsam 2022 gegründet.

Besonders beeindruckt hat sie der Innovationsgeist. „Es wird viel stärker anerkannt, dass neue Geschäftsideen Mut brauchen – und dass sie scheitern können.“ Empion macht zum aktuellen Umsatz keine Angaben. 2022 sicherte sich das Start-up in einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde 2,4 Mill. Euro, im vergangenen Jahr folgte eine Finanzierungsrunde über 6 Mill. Euro. Zu den Investoren zählen der Berliner Venture-Capital-Fonds Cavalry Ventures, VR Ventures und Redstone VC. Wachstumsinvestoren zielen bei der Auswahl zunehmend auf die Umsatzentwicklung ab, beobachtet von Mutius. Das habe Empion geholfen: „Wir haben schnell monetarisiert und dadurch ein zügiges Umsatzwachstum zeigen können.“

Empion entwickelt sich so schnell, dass wir alle paar Monate eine komplett neue Firma haben.

Annika von Mutius

Vor kurzem hat Empion seinen ersten Zukauf gestemmt und die 2015 gegründete Zalvus übernommen, die ebenfalls daran arbeitet, Einstellungsverfahren mit Hilfe von Technologie zu verbessern. Ein ungewöhnlicher Schritt, keine drei Jahre nach der Gründung. „Ein Stück weit hat uns die Situation überfordert, aber das ist ein Gefühl, das einem als Gründerin fast täglich begegnet“, sagt von Mutius lachend. „Empion entwickelt sich so schnell, dass wir alle paar Monate eine komplett neue Firma haben.“ Der Kontakt zum Zielunternehmen kam über einen Investor, der mitbekommen hatte, dass Zalvus zum Verkauf stand. „Wir hatten nicht den strategischen Vorsatz, unbedingt zukaufen zu wollen, aber es war eine gute Gelegenheit.“

Schwierige Phase im Recruiting

Der Zukauf soll Empion zu schnellerem Wachstum verhelfen: „Zalvus bringt etwa 600 Kunden mit“, erklärt von Mutius. Wie viele der zuletzt 50 Beschäftigten zu Empion wechseln, werde sich in den nächsten Monaten klären. Die Akquisition sei auch ein Signal an den Markt. Durch Einstellungsstopps und Entlassungswellen bei Konzernen wie VW oder Thyssenkrupp straucheln auch einige Recruiting-Unternehmen. „Wenn man in einer solchen Phase anorganisch wächst, hebt man sich ab.“ Nun gehe es darum, die Unternehmen zu integrieren, ohne dabei die Kernkompetenzen und das Tagesgeschäft aus dem Blick zu verlieren.

Mit ihren Eltern tauscht von Mutius sich auch über diese Themen aus. „Sie unterstützen mich und finden es cool, was ich mache“, sagt sie. Anfangs habe sie aber etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Unser Familienunternehmen ist in der Drahtverarbeitung tätig. Bei Empion gibt es im Gegensatz dazu kein Produkt, das man anfassen kann.“

Ich hätte mir eine stärker anwendungsbezogene Herangehensweise gewünscht.

Annika von Mutius über den AI-Act

Den AI Act, der den Einsatz von Technologien mit künstlicher Intelligenz in der EU reguliert, sieht die Gründerin kritisch. „Ich hätte mir eine stärker anwendungsbezogene Herangehensweise gewünscht.“ Das Hauptproblem aus ihrer Sicht: Auch Nutzer ihrer Tools könnten künftig gezwungen sein, bestimmte Dokumentationspflichten zu erfüllen. „Das kann dazu führen, dass Mittelständler sich aus Scheu vor regulatorischem Aufwand von KI-Technologie eher fernhalten und den Anschluss verpassen“, fürchtet von Mutius. In der Branche diskutiere man nun eine Art Siegel, das den Kunden signalisieren könnte, dass eine Anwendung mit dem AI Act konform ist und bedenkenlos eingesetzt werden kann.

Empion ist in den vergangenen Jahren unabhängiger von den beiden Gründerinnen geworden. „Das ist ein wahnsinniger Gewinn, weil wir dadurch den Freiraum bekommen, uns beispielswiese in die Integration einzubringen.“ Doch auf die neue Konstellation mussten sich beide einstellen. „Wir hatten eine sehr schwierige Phase“, berichtet von Mutius. „Wenn wir uns da nicht wieder zusammengerauft hätten, hätten wir das gemeinsame Arbeiten vergessen können.“ Die Differenzen kamen, nachdem Empion vom Zwei-Frau-Unternehmen auf fast 50 Personen angewachsen war. „Wir saßen anfangs zu zweit im Büro“, sagt von Mutius. Als das Setting sich veränderte, hätten sie sich kaum noch gesehen. „Wir hatten uns regelrecht auseinandergelebt, wie ein altes Ehepaar.“

Feste Termine geblockt

Heute sind die Montagnachmittage in den Kalendern der Gründerinnen fest geblockt. „Dann sprechen wir über strategische Themen, aber auch mal über etwas, das uns außerhalb von Empion beschäftigt.“ Danach gehen sie zusammen essen. „Das ist unsere wöchentliche Date-Night“, sagt von Mutius. An ihrer Mitgründerin schätzt sie eine Eigenschaft besonders: „Egal, wie die Stimmung ist und was gerade passiert – wir können uns aufeinander verlassen.“  

Ihre Technologie setzen sie mittlerweile selbst ein, wenn sie Einstellungen für ihr Team vornehmen. Eine Anforderung ist für die Gründerin wichtig: „Wir sind ein Start-up, hier muss jeder operativ mit anpacken.“ Und was macht sie, wenn sie nicht im Unternehmen tätig ist? „Am liebsten treffe ich eigentlich andere Menschen. Meine Eltern haben früher schon immer kritisiert, ich sei so Hobby-los“, gibt von Mutius zu. Allerdings hatte sie als Kind Klavierunterricht – und seit kurzem steht das Instrument in ihrer Berliner Wohnung, ein Geschenk der Eltern. „In meiner Freizeit übe ich jetzt ab und zu wieder.“